Samstag, Dezember 6, 2025

Peršmanhof: Massive Kritik an Verfassungsschutz und Behörden in Kärnten

Der Endbericht der Peršmanhof-Kommission liegt vor – und hat es in sich:
Das 100-seitige Papier schildert rechtswidriges, unzuständiges und unverhältnismäßiges Vorgehen des Verfassungsschutzes und Kärntner Behörden. Unzulässig gesammelte Daten wurden auch an die DSN weitergegeben. Das Innenministerium kündigte Sachverhaltsdarstellungen an; weitere Konsequenzen sind zu erwarten.

Nach dem massiv kritisierten Polizeieinsatz am Gedenkort Peršmanhof Ende Juli sah sich das Innenministerium zur Einsetzung einer Expertenkommission veranlasst. Nun liegen die Ergebnisse vor – und sie haben es in sich.

In einer Pressekonferenz mit Innenminister Gerhard Karner, dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Franz Ruf, der Kärntner Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß sowie dem BMI-Sektionschef und Kommissionsmitglied Matthias Vogl wurde ein „rechtswidriges“, „unverhältnismäßiges“ und „unzulässiges“ Vorgehen rund um den Einsatz festgestellt.

Betroffen ist zunächst der – mittlerweile versetzte – stellvertretende Leiter des Kärntner Verfassungsschutzes, der den Einsatz initiierte. Aber auch der Bezirkshauptmann von Völkermarkt und der regionale Leiter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) stehen massiv in der Kritik; beide waren ebenfalls am Einsatz beteiligt. Mit weiteren personellen Konsequenzen ist zu rechnen. Das Camp fand ab dem 24. Juli statt, der Polizeieinsatz erfolgte am 27. Juli.

ZackZack konnte das 100-seitige Papier bereits einsehen und fasst die wichtigsten Feststellungen eklatanten Fehlverhaltens zusammen.

Fehlinformationen für die Öffentlichkeit

Der Einsatz war von der Kärntner Polizei ursprünglich damit begründet worden, dass beim antifaschistischen Camp am Peršmanhof mutmaßlich gegen Camping- und Naturschutzauflagen verstoßen worden sei. Nach dem Einsatz verbreitete die Polizei in den Medien die Information, es habe anonyme Anzeigen und Hinweise gegeben.

Der Bericht der Expertenkommission zeigt nun: “Die Hinweise „aus der Bevölkerung“ über das verbotene Campieren konnten nicht konkretisiert werden. Der stv. Leiter LSE gab bei seinem Gespräch mit der Kommission an, eine Person habe sich bei ihm beschwert, dass am Peršmanhof wild campiert werde.” Weiters: “Auf Nachfrage gab der stvLeiterLSE an, dass er diese Person vom Sehen her kenne, aber ihm deren Namen nicht bekannt sei. Auch Tag und Uhrzeit hatte er nicht konkretisiert.” Und: “Zu diesen „Beschwerden aus der Bevölkerung“ gibt es keine Aktenvermerke oder eine sonstige Dokumentation.”

Dubiose Einsatzvorbereitung – „rechtswidriger“ Einsatz

Die zeitliche Abfolge der Vorbereitung war laut Bericht wie folgt: Bereits am 16. Juli ersuchte die Leiterin des Kärntner Verfassungsschutzes ihre Behörde um „Beobachtung“ des anstehenden Camps. Am 24. Juli, dem Tag des Camp-Beginns, trat sie selbst ihren Urlaub an. Pikant: Die Überwachung des Camps erfolgte „in Abstimmung“ mit der DSN, also der Staatsschutzbehörde des Bundes.

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Die Überwachung übernahm schließlich der stellvertretende Leiter des Kärntner Verfassungsschutzes (LSE), der aus der Region rund um den Peršmanhof stammt und auch die polizeiliche Einsatzleitung innehatte. Er verfasste ein Handout, in dem „‚Antifa‘ und das ‚linksextremistische Aktionsfeld Antifaschismus‘ gleichgesetzt“ wurden.

Bereits am 24. Juli, also am Anreisetag, fuhren zwei Polizeibeamte aus Völkermarkt zum Peršmanhof, „um Erkundungen einzuholen“. Sie fuhren auf dem Areal allerdings nur einmal kurz vor und wendeten wieder. Am 25. Juli ersuchte der LSE-Stellvertreter die Völkermarkter Polizei, “Kennzeichen von Fahrzeugen, deren Insassen augenscheinlich der ANTIFA zuzuordnen seien” zu notieren. Am selben Tag informierte er telefonisch den Bezirkshauptmann zu angeblichen Verwaltungsübertretungen. “Der BH veranlasste in der Folge Erhebungen, ob bereits Anzeigen vorlägen, was nicht der Fall war”, heißt es im Bericht. Auch eine Nachfrage bei der Bürgermeisterin von Eisenkappel ergab, dass sie nichts von dem Camp wusste.

Am Morgen des 27. Juli fand auf der Polizeidienststelle in Eisenkappel eine Einsatzbesprechung statt. Anschließend begann der Einsatz „mit einer Einsatzstärke von sieben Exekutivbediensteten (polizeilicher Einsatzleiter und die Besatzungen von drei Streifenwagen zu je zwei Bediensteten)“. Anwesend waren auch der Bezirkshauptmann und der regionale Leiter des BFA.

Campteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie der beigezogene Rechtsanwalt Rudolf Vouk beanstandeten bereits während des Einsatzes die Rechtswidrigkeit des Vorgehens. Nun bestätigt die Kommission: „Der Einsatz war in vielerlei Hinsicht rechtswidrig.“

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Rechtswidrige Festnahmen und Datenweitergabe an die DSN

Das Kommissionspapier liefert weitere gravierende Details zum rechtswidrigen Vorgehen:
„Zu Verfassungsschutzzwecken waren daher alle eingreifenden Maßnahmen im Rahmen des Einsatzes (die Identitätsfeststellungen, das Betreten des Gebäudes des Peršmanhofs, die Festnahme und Durchsuchung von Personen sowie die Kontrolle von Fahrzeuglenkern und Mitfahrenden) rechtswidrig.“

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Brisant: „Die im Zuge der Identitätsfeststellungen erhobenen Daten und Adressen wurden an die DSN übermittelt.“ Damit involvierte man auch den Staatsschutz auf Bundesebene. Die Kommission weist ausdrücklich auf die Weitergabe der rechtswidrig erlangten Daten hin:

“Da die Rechtsgrundlage der Ermittlung der Daten Fragen zur Zulässigkeit aufwirft und die ermittelten Identitätsdaten an die DSN übermittelt wurden, empfiehlt die Kommission, die Rechtmäßigkeit der weiteren Verarbeitung der Daten einer entsprechenden rechtlichen Beurteilung zu unterziehen und die allenfalls notwendigen Konsequenzen aus dem Ergebnis der Prüfung zu ziehen.”

ZackZack fragte beim BMI beziehungsweise bei der DSN nach, wann man erkannt habe, dass offenbar rechtswidrig erlangte Daten übermittelt worden seien und wie man darauf reagiert habe. Eine Antwort steht bislang aus.

Ermittlungen gegen führenden Verfassungsschützer, weitere Anzeigen

Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus den festgestellten rechtswidrigen Handlungen und der verheerenden Wirkung über die Landesgrenzen hinaus?

Bekannt ist, dass der stellvertretende Leiter des LSE versetzt wurde. Zudem läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs, geführt von der Staatsanwaltschaft Graz. Dieses basiert auf einer Anzeige des Rechtsanwalts Rudolf Vouk. Ermittelt wird auch gegen „weitere unbekannte Täter“, wie zuletzt gegenüber ZackZack bestätigt wurde.

Innenminister Karner räumte am Donnerstag während der Pressekonferenz ein: “Das Verhalten des polizeilichen, aber auch des behördlichen Einsatzleiters, des Vertreters des Bundesamtes für Asyl der Regionaldirektion Kärnten war in Teilen rechtswidrig, in teilen nicht verhältnismäßig und in teilen zweifelhaft.”

Generaldirektor Franz Ruf ergänzte: “Der stellvertretende Leiter des Landesamtes für Extremismusbekämpfung initiierte und leitete den Polizeieinsatz obwohl er dafür weitgehend nicht zuständig war. Der Bezirkshauptmann war anwesend und hat sich auf eine Beobachterrolle zurückgenommen. Letztendlich hat der Leiter der regionalen Außenstelle des BFA Festnahmen ausgesprochen ohne dafür ermächtigt zu sein. In einem nächsten Schritt wird eine dienst- und disziplinarrechtliche Sachverhaltsdarstellung des BMI ergehen.” Diese werde an das BFA und die Landespolizeidirektion Kärnten weitergegeben.

Für Irritationen sorgte während der Pressekonferenz auch die Information einer Ö1-Journalistin, wonach der Bezirkshauptmann von Völkermarkt nicht vor der Expertenkommission aussagte. Nicht nur deshalb wird es nun wohl auch an Landeshauptmann Peter Kaiser liegen, entsprechend auf das Verhalten des Beamten zu reagieren.


Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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