Trump und seine Verbündeten missachten die Regeln des Rechtsstaats. In den USA geht vom Staat inzwischen Unrecht aus, wie die massenhafte Verhaftung von koreanischen Arbeitern zeigt.
Alles ist schiefgegangen. Der Versuch einen Menschen mit menschenfeindlicher, faschistischer Gesinnung, den sehr wenige kannten, bevor er erschossen wurde, zum Märtyrer einer angeblichen »Bewegung« zu machen, ist misslungen. Der Versuch »Linke«, die es in den USA gar nicht gibt, für »linke Gewalt«, die es in den USA gar nicht gibt, verantwortlich zu machen, ist misslungen. Die »Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen« – wie es im Horst-Wessel-Lied heißt – versucht man mit der Gewalt der korrumpierten Presse zu erzeugen.
Doch in den USA misslingt noch viel mehr. In Georgia sollte der »größte Schlag gegen illegale Beschäftigung« durchgeführt werden. Winand von Petersdorff-Campen berichtet für die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
Es war die größte Razzia, die die Ausländerpolizei US Immigration and Customs Enforcement (ICE) je an einer einzelnen Großbaustelle unternommen hat. Das hatte die Heimatschutzbehörde, der die ICE untersteht, nicht ohne Stolz mitgeteilt. In einer Demonstration logistischer Professionalität gelang es rund 500 Beamten, die LG-Hyundai-Fabrik in Georgia binnen zehn Minuten zu umzingeln, berichtete später einer der Betroffenen: Es sei wie eine Militäroperation gewesen.
Ein grober Fehlschlag
Die Einzelheiten, die ans Tageslicht kommen, zeigen, dass sich die Ausländerpolizei einen groben Fehlschlag geleistet hat. Von Petersdorff-Campen weiter:
Eine wesentliche Ressource fehlte jedoch: Nach Kucks Darstellung [Anm.: Der Anwalt Charles Kuck vertritt 13 der Festgenommenen] versäumten es die Ermittler, einen Dolmetscher für Koreanisch mitzubringen. Die monatelangen Vorermittlungen hatten offenbar nicht ergeben, dass sie nicht auf Hundertschaften illegaler Latinos treffen würden, sondern auf Koreaner, die eine Batteriefabrik mit einem Investitionsvolumen von knapp acht Milliarden Dollar ans Laufen bringen wollten. Die Koreaner sprachen kein Englisch und konnten daher offenbar nicht glaubhaft machen, dass ihre Aktivitäten legal waren. Versuche, sich mittels Übersetzungs-Apps zu verständigen, scheiterten. Die Polizisten wiederum waren nach Kucks Darstellung nicht gut darin, Visakategorien zu unterscheiden. Also entschieden sie kurzerhand: „Lasst es uns so machen – wir verhaften alle und klären das später“, so der Anwalt aus Atlanta.
Illegale Festnahmen
Im Guardian, dem das Dokument des ICE über die Verhaftung vorliegt, schreibt José Olivares:
Das Dokument widerspricht den Behauptungen der Behörde, dass alle 475 Personen, die während der Razzia festgenommen wurden, illegal gearbeitet oder gegen ihre Visa verstoßen hätten. Anwälte, die in den letzten Tagen bemüht waren, die inhaftierten Männer zu vertreten, hatten bereits behauptet, dass Einwanderer mit einem gültigen Arbeitsstatus zusammen mit den Personen, die angeblich illegal gearbeitet hatten, festgenommen und in Abschiebungsverfahren gebracht worden seien. Diese Ansicht wurde von einem Beamten der Behörde bestätigt, der unter der Bedingung der Anonymität über sensible Regierungsangelegenheiten sprach. Die Festnahme sei »illegal«, behauptete der Beamte in einem Interview mit dem Guardian.
Der Terrorismus nach innen, von jeher die Praxis des Faschismus, macht in der Definition seiner Opfer keine Unterschiede. Arbeitende werden wie Schwerverbrecher behandelt. Auch jene, die Arbeitsbewilligungen besaßen, wurden in Abschiebehaftanstalten deportiert. Winand von Petersdorff-Campen berichtet für die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
Die 475 Personen, offenbar fast ausschließlich Männer, wurden mit Handschellen gefesselt. Die Handschellen waren mit einer Kette verbunden, die den Männern um den Bauch gelegt wurde. Einigen wurden zusätzlich die Füße gefesselt. Videoaufnahmen zeigen Männer mit erhobenen Händen, aufgereiht vor Bussen, die für ihren Abtransport vorgesehen waren. Sie wurden fortgebracht und verbrachten später fünf Tage in einer Abschiebehaftanstalt in Folkston.
Die Kriminalisierung von Menschen geht von oben aus: Der Terrorist Trump, der im Weißen Haus sitzt, und seinen Krieg gegen die eigene Bevölkerung stets mit »Ausnahmemitteln« rechtfertigen will, ist für das alles verantwortlich – auch für die übertriebene, überbordendende Gewalt. Für AP-News berichtet Safiyah Riddle:
Den ganzen Tag über berichteten Menschen, dass Bundesbeamte den Arbeitern ihre Mobiltelefone abgenommen und sie in langen Reihen aufgestellt hätten… Einige Arbeiter versteckten sich stundenlang, um einer Festnahme zu entgehen, in Lüftungsschächten oder abgelegenen Bereichen des weitläufigen Geländes. Das Justizministerium teilte mit, dass sich einige in einem nahe gelegenen Abwasserteich versteckt hätten. Menschen außerhalb des Geländes riefen verzweifelt bei der Organisation an, um den Aufenthaltsort ihrer Angehörigen zu erfahren, die in der Fabrik arbeiteten und plötzlich nicht mehr erreichbar waren.
Terror und Willkür
Die Behörden zeigen keinen Willen, unrechtmäßige Verhaftungen und Deportationen rückgängig zu machen. Die USA sind ein Staat der Willkür geworden:
Wie viele der Koreaner, die in der Fabrik arbeiteten, sagen auch Anwälte und Rechtsbeistände, die die nicht-koreanischen Arbeiter vertreten, die von der Razzia betroffen waren, dass einige der Festgenommenen eine legale Arbeitserlaubnis für die Vereinigten Staaten hatten. Weder das Ministerium für Innere Sicherheit noch die Einwanderungs- und Zollbehörde reagierten am Freitag auf per E-Mail gesendete Anfragen nach einer Stellungnahme. Es ist unklar, wie viele der bei der Razzia festgenommenen Personen weiterhin in Haft sind.
Gegen Obdachlose, gegen Arbeiter, gegen Schwache
Das Losschlagen der USA und ihrer Militärs und Exekutive gegen Arbeiter, Obdachlose und alle sozial Benachteiligten, ist nur ein Teil von Trumps Terrorismus, der die USA auch wirtschaftlich schwächt. Es geht jetzt nicht mehr darum, diesen Terrorismus und die von ihm fingierten »Ausnahmemittel«, die seinen Gewaltrausch rechtfertigen sollen, zu benennen. Es ist nur mehr die Frage, wann und mit welcher Mehrheit die bürgerliche Welt ihr Appeasement und ihr Verständnis dafür aufgibt, und sich dem vom Staat ausgehenden Unrecht in den USA entgegenstellt. Viele sogenannte Analysen in den Medien und die zaghafte Haltung bei Westeuropas Konservativen zeigt, was Bertolt Brecht in wenigen Zeilen hinschrieb:
Die bürgerliche Welt bemüht sich verzweifelt, nachzuweisen, dass er [der Staat] sich irrt; dass er sie [die Ausnahmemittel] nicht ergreifen muss. Dass etwas Gewalt vielleicht nötig ist (der Ausnahmelage wegen), aber nicht so viel Gewalt, nur soundso viel Gewalt. Dass mäßige Züchtigungen genügen. Dass gelegentliche Bespitzelung ausreicht. Dass kriegerische Vorbereitungen in vernünftigen Grenzen besser sind. Und die bürgerliche Welt ahnt dumpf, dass sie sich irrt.
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