Trumps bizarre Auftritte dürfen nicht als reine Medientaktik gesehen werden, sie werfen vielmehr Fragen zu dessen geistiger Fitness auf. Nur wenige Medien stellen sie.
Da wurde Joe Biden nach einem Fernsehauftritt innerhalb der eigenen Partei lange unter Druck gesetzt, bis er, aufgrund seines Alters und fehlender geistiger Fitness auf seine Präsidentschaftskandidatur verzichtete. Und dann passiert das. Adam Gabatt schreibt im Guardian:
“Donald Trumps häufig bizarre Auftritte in der Öffentlichkeit, bei denen der Präsident in diesem Monat fälschlicherweise behauptete, sein Onkel habe den Unabomber gekannt, und bei seiner jüngsten Reise ins Vereinigte Königreich unaufgefordert über Windmühlen schwadronierte, haben nach Ansicht von Experten erneut Fragen zu seiner geistigen Gesundheit aufgeworfen. Seit mehr als einem Jahr zeigt der 79-jährige Trump auf Wahlkampfveranstaltungen, in Interviews, in seinen spontanen Äußerungen und auf Pressekonferenzen ein merkwürdiges Verhalten. Der Präsident schweift immer wieder vom Thema ab, so auch während einer Kabinettssitzung in diesem Monat, als er 15 Minuten lang über Dekoration sprach, und scheint sich an einfache Fakten über seine Regierung und sein Leben nicht zu erinnern.”
Erinnerungen an Reagans “Vergesslichkeit”
Es sind Auftritte, die an alte Geschichten erinnern; etwa an die letzten Jahre von Präsident Ronald Reagan. In der sogenannten Irangate oder Iran-Contra-Affäre, sicherte die „Vergesslichkeit“ dem damaligen US-Präsidenten den Freispruch. Doch die meisten bezweifelten schon damals, dass es dich dabei ausschließlich um Taktik handelte. Im Oktober 1987 schrieb der SPIEGEL:
Zuerst war es nur ein Witz, die Variation einer alten Watergate-Frage: »Was wußte der Präsident, und wann hat er es vergessen?« Als dann, fast vier Monate lang, Tag für Tag neue Enthüllungen über den Iran-Contra-Skandal die Glaubwürdigkeit Ronald Reagans untergruben, dämmerte den Amerikanern, daß dieser Scherz weit mehr über die Verfassung ihres Präsidenten aussagte, als vielen von ihnen lieb sein konnte. Seit vorigen Donnerstag, als die vom Präsidenten selbst angesetzte – und sorgsam ausgewählte – Tower-Kommission ihren Untersuchungsbericht vorlegte, sind die Blackouts des Staatschefs die letzte Verteidigungslinie des Weißen Hauses in einen Niedergang, der den sechs Jahre lang erfolgreichen 40. Präsidenten der USA schwer gezeichnet hat.
Freilich ist es leider auch hier so: Nur kritische Journalistinnen und Journalisten und nur Medien, die tatsächlich kommentieren und nicht politisch agitieren, haben diese Frage auch thematisiert. Und sie ist im Falle eines Amts mit solcher Macht und Bedeutung auch zu thematisieren.
Minutenlanger Unsinn
Es ist wenigen aufgefallen – oder wenige berichten darüber – dass Trumps erratische Themenwahl oft nicht seine Medientaktik ist, sondern in völligem Irrsinn ausartet. In geschnittenen Nachrichtensendungen lässt sich das leicht ausblenden. Hier scheint Trump zum Thema zu sprechen, weil es die Sendungsmacher so montiert haben, dass es verständlich bleibt. Tatsächlich redet Trump oft über viele Minuten reinen Unsinn oder erzählt detailliert etwas, das nichts mit dem gerade disktutierten Thema zu tun hat.
Adam Gabatt im Guardian weiter über Trump:
Am Wochenende wechselte Trump während eines Treffens mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, abrupt von der Diskussion über Einwanderung zu dieser Aussage: “Die andere Sache, die ich Europa sage: Wir haben – wir werden nicht zulassen, dass in den Vereinigten Staaten ein Windrad gebaut wird. Sie bringen uns um. Sie zerstören die Schönheit unserer Landschaften”. Trump sprach dann zwei Minuten lang ununterbrochen und ungefragt über Windmühlen und behauptete ohne Beweise, dass sie Wale „verrückt“ machen und dass die Windenergie „die Vögel tötet“ (der Anteil der Vögel, die durch Turbinen getötet werden, ist winzig im Vergleich zu der Zahl der Vögel, die durch Hauskatzen und durch das Fliegen in Stromleitungen getötet werden).
Nun ist die Vermutung, dass Trump zumindest teilweise geistige Fitness und das Erinnerungsvermögen im Stich lässt nicht neu. Schon vor der Wahl sind in früheren Beraterkreisen Stimmen laut geworden, die dafür sprechen, dass die Zurechnungsfähigkeit Donald Trumps nicht (immer) gegeben ist. Dirk Hautkapp im Februar 2024 in der Berliner Morgenpost:
Der mutmaßliche Herausforderer Bidens bei der Wahl im November ist nach Beobachtungen seiner ehemaligen Sprecherinnnen Stephanie Grisham und Alyssa Farah Griffin nach seiner 2021 geendeten Präsidentschaft erkennbar gealtert. „Ohne Zweifel, er hat abgebaut“, sagte Grisham am Wochenende im US-Fernsehen. „Etwas stimmt mit ihm nicht. Er wirkt wie ein Mann, der mental verfällt.” Sie verwies auf etliche Fälle, bei denen Trump während seiner stets mit Telepromptern unterstützten Reden auf einmal in zusammenhangslosen Sätzen spricht, Wörter erfindet, die es nicht gibt, Städtenamen vertauscht und reihenweise falsche Bezüge herstellt. So bezichtigte er im Wahlkampf in New Hampshire seine einzig verbliebene Rivalin um die Kandidatur, Ex-Gouverneurin Nikki Haley, im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol der unterlassenen Hilfeleistung. Haley, sagte er und nannte ihren Namen vier Mal hintereinander, habe seinerzeit nicht die Nationalgarde gerufen, um den Aufstandsversuch zu ersticken. In Wahrheit hatte Haley mit der ganzen Sache rein gar nichts zu tun. Trump hatte sie schlicht mit Nancy Pelosi, der früheren demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, verwechselt.
Sicherheitsrisiko und Seife
Die Gefahr ist vor allem, dass offizielle Stellen das Problem in Medien und auf offiziellen Webseiten so gut wie möglich verbergen. Das erhöht im Falle des US-Präsidenten nur das Sicherheitsrisiko. Ich zitiere noch einmal Adam Gabatts Artikel aus dem Guardian, der uns ein bizarres vollständiges Transkript eines Trump-Statements gibt (letzter Absatz):
Das Weiße Haus entfernte im Mai die offiziellen Abschriften von Trumps Äußerungen von seiner Website und begründete dies mit dem Bestreben, „Konsistenz zu wahren“. Es lohnt sich jedoch, Trumps Äußerungen in voller Länge zu lesen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie der Präsident tagtäglich spricht.
Anfang Juli wurde Trump gefragt: „Was ist das nächste Wahlversprechen, das Sie dem amerikanischen Volk geben wollen?“ Daraufhin schwärmte er von Treffen mit ausländischen Staatsoberhäuptern und der Abschaffung von Vorschriften und fügte hinzu:
“Ich bin neulich eine Sache losgeworden, da kauft man ein Haus und die haben einen Wasserhahn im Haus, Joe, und aus dem kommt kein Wasser. Sie haben eine Drosselung. Man kann nicht – in Gegenden, wo es so viel Wasser gibt, wissen sie nicht, was sie damit machen sollen. Sie haben einen Duschkopf und die Dusche funktioniert nicht, sie denken, sie funktioniert nicht. Sie funktioniert aber. Das Wasser tropft raus und das ist nicht gut für mich. Ich mag diese Haarspitzen und – ich mag das Haar schön nass. Man muss 20 Minuten in der Dusche stehen, bevor man die Seife aus dem Haar bekommt. Und ich habe ein, ein Ding – und das hört sich lustig an, ist es aber nicht wirklich. Es ist furchtbar. Und wenn man sich die Hände wäscht, dreht man den Wasserhahn auf und es kommt kein Wasser heraus. Man wäscht sich ganz – das Wasser kommt kaum raus, es ist furch..das wurde von verrückten Leuten gemacht. Und ich hab… hab das alles abgeschrieben und im Kongress durchgesetzt, damit sie es nicht einfach ändern können.” (‘Versuch’ einer Übersetzung Trumps ins Deutsche, Anm.)
Trump im Original:
„I got rid of – just one I got rid of the other night, you buy a house, they have a faucet in the house, Joe, and the faucet the water doesn’t come out. They have a restrictor. You can’t – in areas where you have so much water they don’t know what to do with it. Uh, you have a shower head the shower doesn’t uh, the shower doesn’t, you think it’s not working. It is working. The water’s dripping out and that’s no good for me. I like this hair lace and [sic] – I like that hair nice and wet. Takes you – you have to stand in the shower for 20 minutes before you get the soap out of your hair. And I put a, a thing – and it sounds funny but it’s really not. It’s horrible. And uh, when you wash your hands, you turn on the faucet, no water comes out. You’re washing whole – water barely comes out it’s ridi – this was done by crazy people. And I wor – wrote it all off and got it approved in Congress so that they can’t just change it.”
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