Samstag, Dezember 6, 2025

Justizfall Pilnacek: Gerichtsmediziner ausgesperrt

Eineinhalb Monate vor dem Start des Pilnacek-U-Ausschusses startet der erste Gegenangriff. Er richtet sich gegen die Gutachter, die die Selbstmord-Legende der Polizei gefährden.

Seit der Staatsanwaltschaft (StA) Krems der Fall „Pilnacek“ entzogen worden ist, führt die StA Eisenstadt das Kommando. Sie hat den Auftrag, eine heikle Weisung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien umzusetzen.

Am 22. April 2025 ordnete die OStA an:

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  • Beischaffung des durch Dr. Stefano Longato erstellten gerichtsmedizinischen Privatgutachtens vom 11. Oktober 2024;
  • der rechtsmedizinischen Stellungnahme von Univ.Prof. Dr. Michael Tsokos vom 26. September 2024;
  • sowie der Stellungnahme vom 27. August 2024 von Dr. Wolfgang Schaden zum Obduktionsgutachten und
  • Einholung einer Stellungnahme bzw eines Ergänzungsgutachtens des im Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen Dr. Christian Matzenauer zu den (allfälligen) Ergebnissen.

Bis dahin hatte die OStA der Staatsanwaltschaft Krems die Stange gehalten. Nach Erscheinen des Buchs Pilnacek – der Tod des Sektionschefs zeichnete sich schnell ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ab.

Flucht nach vorne

Mit der Weisung war die OStA die Flucht nach vorne angetreten. Man hatte erkannt, dass die neuen Gutachter alles auf den Kopf gestellt hatten: Der Innsbrucker Longato hatte die Selbstmordthese widerlegt; der Berliner Tsokos hielt einen tätlichen Angriff auf Pilnacek für wahrscheinlich; und Schaden hatte als Unfallchirurg bestätigt, dass es einen Sturz in der beschriebenen Form nicht gegeben haben konnte.

Für alle drei waren die Fotos, die das Landeskriminalamt St. Pölten bei der späten Obduktion am 26. Oktober 2023 anfertigen hatte lassen, gesperrt. Nur Pilnacek-Gefährtin Karin Wurm und ihr Anwalt, der ehemalige Staatsanwalt Volkert Sackmann, hatten sie vor Ort einsehen dürfen. Sackmann erinnert sich: „Pilnaceks Körper war von Hämatomen übersät. Er hat schrecklich ausgesehen.“

Fotos gesperrt

Wenn die Oberstaatsanwaltschaft an der Wahrheitsfindung interessiert gewesen wäre, hätte sie nur eines anordnen müssen: Longato und Tsokos Zugang zu den Fotos zu ermöglichen. Beide Rechtsmediziner waren bereit, ihre Gutachten zu ergänzen.

Genau das soll offensichtlich verhindert werden. Dazu braucht man noch einmal den Seriengutachter Matzenauer. Er soll die störenden Gutachten selbst begutachten – und damit möglicherweise aus der Welt schaffen.

Doch das hilft nichts. Die niederösterreichische Kriminalpolizei steckt tief in der eigenen Selbstmordfalle. Sie musste „Suizid“ behaupten, um zu erklären, warum sie Pilnaceks Handy nicht als Beweismittel der Staatsanwaltschaft übergeben, sondern blitzartig Pilnacek-Witwe und Gerichtspräsidentin Caroline List vererbt hat.

Legal bekommen

Im Gegensatz zu den Gerichtsmedizinern hat der „Journalist“ Gernot Rohrhofer die Obduktionsfotos erhalten und weitergegeben. Vor Gericht rechtfertigte er sich: „Mir wurde es so gegeben, dass ich es verwenden kann und alles andere ist irrelevant. Ich habe das legal bekommen und konnte sie verwenden so wie ich sie verwenden wollte und das habe ich getan mit Einverständnis der Personen, die mir die Fotos gegeben haben.“

„Legal“ bekamen die Leichenfotos nur zwei Personen, die nicht an den Ermittlungen beteiligt waren: Caroline List und ihr Rechtsanwalt. Bis heute sehen Staatsanwaltschaften in Krems, Eisenstadt und Wien zu, wie Obduktionsfotos für Gerichtsmediziner gesperrt bleiben und sie ein „Journalist“, dessen Pilnacek-Buch von Sebastian Kurz beworben wird, nach Belieben verteilt.

Kein Selbstmord

Dabei hat das Landeskriminalamt ein Problem: Es findet keinen Gutachter, der Selbstmord für erwiesen erachtet. Nicht einmal der verlässliche Matzenauer war bereit, Selbstmord als Todesursache zu bestätigen.

ÖVP-Polizei-nahe Kreise und ihre Anwälte versuchen jetzt, vor den drohenden Befragungen im Nationalrat das Ansehen der Gutachter zu beschädigen. Dazu soll es in den nächsten Tagen und Wochen in ÖVP-nahen Medien Berichte geben, die erklären, dass Gutachten ohne Fotos nicht viel wert seien. Ein profil-Redakteur hat sich bereits gemeldet: „War es zweckmäßig, Gutachter zu beauftragen, ohne dass sie die notwendigen Fotos vorliegen hatten?“ Die Frage, ob es zweckmäßig wäre, allen Gutachtern alle Fotos vorzulegen, stellte er nicht.

Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt hat inzwischen alle Gutachten erhalten. Statt Longato und Tsokos Zugang zu den Obduktionsfotos zu ermöglichen, hat sie Wurm und ihrem Anwalt Sackmann die gesamte Akteneinsicht gesperrt.

Auch das werden Eisenstädter Staatsanwälte und ihre Kollegen in der Oberstaatsanwaltschaft Wien unter Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss erklären müssen.

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