Klassenkampf in Österreich: Härte ins Leben bringen, aber nur ins Leben der Anderen.
Friedrich Knill heiratete 1929 die zweite Tochter von Moritz Mosdorfer und trat in dessen Firma ein, die auf eine Klingenschmiede aus dem 18. Jahrhundert zurückgeht. 1974 übernahm Sohn Gunther Knill, 2002 dessen Söhne Christian und Georg. Georg Knill ist heute Chef der Industriellenvereinigung. In der Welt, aus der ich stamme, nennt man solche Personen mit ironischer Zärtlichkeit „der Erbe“, und da schwingt eine gewisse selbstbewusste Herablassung mit gegenüber Leuten, die in gemachte Betten geboren werden, und von denen man vermutet, dass sie im scharfen Wind des echten Lebens ein bisschen verloren wären. Oder, dass von ihrer Aufgeblasenheit dann sehr schnell nur mehr ganz wenig übrigbleiben würde.
Georg Knill ist ein großer Fürsprecher der Leistungsgesellschaft, womit gemeint ist, dass die Privilegierten keine Krümel abgeben sollen, was natürlich irgendwie das Gegenteil des Leistungsprinzips ist. Aber die Rhetorik der Reaktion ist oft dadurch charakterisiert, dass die Worte das Gegenteil dessen bedeuten, was sie eigentlich bedeuten. Georg Knill hat jetzt ein Interview gegeben, das mit dem Zitat übertitelt war: „Es werden harte Jahre und jeder und jede muss einen Beitrag leisten.“
Leistung ist, wenn andere für einen arbeiten
Ich habe mich gefreut und mir gedacht, das muss ich gleich lesen, in der Vorfreude auf die Leistungen, die Georg Knill zu erbringen in diesem Interview ankündigen würde. Leider fand ich keine, was meine Freude dämpfte, da ich doch annahm, als Fürsprecher der Leistungsbereitschaft wäre er gerne vorne dabei beim Leistungerbringen. Die Leistungsbereitschaft gehört ja zu den zentralen Werten des Konservatismus, die Werte leisten diesem aber auch deshalb so famose Dienste, weil sie elastisch sind wie ein guter Hosenträger.
Sie ahnen es sowieso längst: In besagtem Interview fanden sich viele Hinweise darauf, was andere zu leisten haben, und kein Hinweis darauf, welche Leistungen denn Knill und seinesgleichen beizutragen gedenken.
Keine noch so maßvolle Erbschaftssteuer, nicht die klitzekleinste Vermögenssteuer.
Wirtschaftslobby gegen die Wirtschaft
Ganz gewiss sind die Unternehmen heute in einer schwierigen Situation. Einerseits, weil ihre Produktionskosten durch die Inflation hochgeschossen sind und somit ihre Wettbewerbsposition in der internationalen Konkurrenz belasten, andererseits weil die Konsumenten ohnehin nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Wer etwas Spielraum hat, hält sein Geld lieber zusammen, statt damit den Binnenkonsum zu beleben. Die Sparquote ist auf Rekordniveau, und zwar hauptsächlich, weil die Menschen Angst haben. Gestiegene Kosten der Unternehmen, Konsumzurückhaltung bei der breiten Masse, das ist natürlich Gift.
So gesehen ist es keine Erleichterung für „die Industrie“ oder „die Wirtschaft“, wenn man die Kosten der Budgetkonsolidierung einseitig den normalen Menschen aufbürdet, weshalb das bei uns offensichtlich so selbstverständliche Freispiel für die Vermögenden letztendlich dazu beiträgt, dass der Konsum stockt oder auch Mittel für die notwendigen Infrastrukturinvestitionen fehlen. Insofern wäre es sogar für das Geschäftsklima gut, dürften wir Herrn Knill beim Wort nehmen, dass jeder und jede einen Beitrag zu leisten hat. Gerechtigkeit hätte gleichsam wirtschaftsfördernde Wirkung. Umgekehrt gilt: Streicht man, beispielsweise, wild bei der Bildung, hat Herr Knill in ein paar Jahren schlechter ausgebildete Arbeitnehmer zur Verfügung, was der Wettbewerbsposition der österreichischen Industrie ganz sicher nicht guttun würde.
Die größten Feinde des Geschäftsklimas sind nicht selten die Fürsprecher der Wirtschaftslobby.
Metaphysik der Verhärtung
Wir können Wortmeldungen wie die von Herrn Knill als Rhetorik in einem normalen Verteilungskampf nehmen, der Begriff des „Klassenkampfes“ ist nicht fehl am Platze. Aber es gibt auch immer einen ideologischen, ja fast metaphysischen Überschuss. Ein „Kult der Härte“ schwingt mit. Dass man die Tüchtigen in ihrem Lauf nicht behindern solle, dass man die Unterschichten aus der „Wärmestube“ des Sozialstaats vertreiben und sie der Härte des Existenzkampfes aussetzen solle, wird ja nicht erst getrommelt, seitdem eine Abfolge von ÖVP-Kanzlern und -Finanzministern den österreichischen Staatshaushalt nachhaltig ruiniert hatte. Das war die einzige „Nachhaltigkeit“, die diese Herrschaften hinbekommen haben.
Diese Rhetorik ist ja ganz besessen davon, Härte ins Leben zu bringen. Wohlgemerkt: Immer nur Härte ins Leben der Anderen.
Der Kult der Härte ist ein ideologisches Motiv, das die alte und die neue Rechte aber auch die Neo- und Pseudoliberalen teilen, weshalb es einen wesentlichen Beitrag zu der perversen Allianz von Pseudoliberalismus und Rechtsextremismus leistet, die wir heute überall beobachten können. Was den Faschisten die autoritäre Kraftmeierei, ist den Ultraliberalen die Anbetung des Winners und die Verachtung der Loser. Mitgefühl ist aus ihrer Sicht das Laster von Pussys und Weicheiern. „Die fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation ist Empathie“, meint der Tech-Milliardär und bis vor kurzem Trump-Unterstützer Elon Musk. Für Tech-Investor und Paypal- sowie Palantir-Gründer Peter Thiel begann alles Beklagenswerte mit dem Christentum, weil „es immer die Seite der Opfer einnimmt“. Der leidenschaftliche Kampf gegen „Toxic Empathy“ ist neuerdings der letzte Schrei unter Rechtsextremen, Neo-Konservativen und Post-Liberalen. Die Grammatik der Härte verbindet Männlichkeitsideale, eine Ästhetik der Erbarmungslosigkeit mit Volks- und Umerziehungsidealen schwarzer Pädagogik, wonach „notwendige Härte“ die effektivste Form der Zuneigung sei.
Entsprechend des alten Bibel-Wortes: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er.“
Wolf Biermann hat, bevor er selbst ein bisschen eigen geworden ist, den schönen Vers gedichtet: „Du, lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit.“ Das ist etwas kitschig, aber immer noch eine schöne Maxime. Und ich mag ja den Kitsch, jedenfalls in homöopathischen Dosen.
Titelbild: Miriam Moné
