Samstag, Dezember 6, 2025

Das Unwort „Kulturkampf“

Der deutsche Kulturminister Wolfram Weimer hat dazu aufgerufen, den »Kulturkampf« zu beenden. Stattdessen arbeitet die »Weimer Media Group«, deren 50-prozentiger Eigentümer er ist, an einer anderen Kultur – der Kultur des Kaufs und Verkaufs von politischem Einfluss.

Es ist ein Unwort. Und ich frage mich, was es uns eigentlich sagen will. Ich rede vom Begriff »Kulturkampf«. Die unheilvollen Anspielungen dieses Unworts zeigen jedenfalls, dass es dabei nicht um Kultur geht. Worum geht es dann?

In den letzten Tagen ist das Wort wieder aufgetaucht. Just der erzkonservative deutsche Kulturstaatsminister Wolfram Weimer forderte in einem Interview mit der ZEIT auf: »Lasst uns den Kulturkampf gemeinsam beenden!« Doch leider wird bald klar, was er damit meint: Die Sprache der Konservativen, die – wie man z.B. an den Äußerungen von Friedrich Merz sieht – oft Begriffe aus dem historischen Faschismus entlehnt, soll nicht kritisiert werden. Ideologie soll in politischen Debatten keine Rolle spielen. Mit einem Wort: Weimar will ein Kritikverbot an neu aufkeimenden faschistischen und totalitären Tendenzen in der Welt. Doch Kritik ist kein Kampf. Kritik ist im Gegenteil ein essentieller Bestandteil von Kultur.

Keine Wiederholung

Sowohl Deutschland als aus Österreich haben den Nationalsozialismus zu verantworten. Nach ihrer Wiederauferstehung haben sie geschworen, als antifaschistische Staaten, als Demokratien fortzuexistieren und die Wiederholung des Faschismus in diesen neu geschaffenen Staaten zu verhindern. Das ist die oberste Maxime ihrer politischen Kultur.

Das Gebot, autoritären Tendenzen gegenüber wachsam zu sein (auch in der Sprache), ist daher keine »Richtlinie«, sondern steht in der Verfassung. Vor allem aber sollte es diesseits der Selbstlegitimation sein und als demokratischer Konsens unsere Parteienlandschaft beherrschen. Eine Parteienlandschaft, deren Pluralismus vom Kompromiss zwischen Parteien und der Toleranz bestimmt sein sollte.

Festhalten am Schnitzel

Doch was finden wir vor: Die Medienkampagnen gegen Wärmepumpen und Lastenräder. Gehören sie nicht zum Kulturkampf, den Herr Weimer meint? Das »Festhalten am Verbrenner« – in Deutschland und Österreich als Zukunftsstrategie von konservativen Kanzlern ausgerufen. Besonders trist in Österreich: Der einstige Ruf der ÖVP und der Boulevardmedien, das Schnitzel dürfe nicht verboten werden. Ich kenne keine Partei, die jemals gefordert hat, das Schnitzel zu verbieten. Besonders aber möchte ich an die Kultur jener Kulturkämpfer appellieren, die gegen dieses fingierte Verbot mobil machen und sie auffordern, in Österreichs Gastronomiebetrieben nachzuschauen, wer in den Küchen das Schnitzel zubereitet: hauptsächlich Menschen aus Bangladesh, Pakistan, Indien, Afghanistan und Syrien oder Zuwanderer aus dem Osten.

Die »Verbote« des rechten »Kulturkampfs« sind Phantasmen. Er fingiert das Feindbild. Sein Ziel aber ist ganz klar: Andersdenkende von der politischen Macht fernzuhalten.

Zusammenarbeit mit Faschisten

Dieser Tage ehrt man überall Gerd Bacher, den früheren ORF-Generalintendanten, der dieser Tage hundert Jahre alt geworden wäre. Was niemand dazusagt: Gerd Bacher machte Stipe Tomičić, alias Alfons Dalma, einen Kriegshetzer der Ustascha, der vom Kriegsverbrecher und Diktator Ante Pavelić mit einem Orden geehrt wurde, zum Chef des aktuellen Dienstes des ORF. Bachers und Dalmas Ziel war es, über die Studentenbewegungen der Sechzigerjahre gar nicht zu berichten; und weiters, die Sozialdemokratie so gut wie möglich von der Macht fernzuhalten. Die Zusammenarbeit mit einem Faschisten störte Bacher und störte ganz Österreich nicht.

Und auch bei Wolfram Weimer geht es um die Frage der Medien und der Medienpolitik. Wolfram Weimer ist Fünfzig-Prozent-Eigentümer der Weimer Media Group. Die restlichen Anteile hält Christiane Goetz-Weimer, seine Frau.

Gekaufter Einfluss

Jedes Jahr veranstaltet dieser Konzern den »Ludwig-Erhard-Gipfel« am Tegernsee. Die Teilnahme an diesem Treffen kostet für alle drei Tage 3.000,00 Euro. Für größere Summen kauft man die Möglichkeit dort an einem Diskussionspanel teilzunehmen oder eine Rede zu halten. Das machen Menschen, die darauf aus sind, amtierende Politikerinnen und Politiker kennenzulernen.

Der »Ludwig-Erhard-Gipfel« erhält übrigens auch Subventionen vom Land Bayern und der staatlichen Förderbank LfA, wie der SPIEGEL berichtet.

Wenn es einen »Kulturkampf« gibt, hat er vor Jahrzehnten begonnen

Es muss diese Kultur sein, diese Kaufkultur in der Politik, die Herr Weimer statt des »Kulturkampfs« etablieren will. Man soll für politische Einflussnahme bezahlen; von den Rechten wird es Lobbyismus genannt, von denen, die auf der Seite des Gesetzes stehen, Korruption. Wolfram Weimer verteidigt sich nun damit, dass er zwar 50 Prozent der Anteile an der Weimer Media Group halte, aber keine Stimmrecht habe und aus der Geschäftsführung ausgeschieden sei.

Die Frage der Medien wird Österreich und Deutschland immer beschäftigen, wenn es um den Erhalt der Demokratie geht. Wenn es jedenfalls in Österreich einen »Kulturkampf« gibt, dann hat er vor Jahrzehnten begonnen. Er hat mit dem Großwerden der Boulevardpresse begonnen, die unter dem Verzicht auf journalistische und politische Ethik seither ihre Feindbilder pflegt und ihren Protegé unterstützt.

Nicht mit Worten, sondern mit Geld

Gegen dieses Phänomen, gegen den Populismus nämlich, muss man entschieden auftreten. Man muss jede seiner Aussagen und seine Kampagnen enttarnen und offenlegen. Das ist geradezu eine demokratische Pflicht. Wenn andere das als »Kulturkampf« bezeichnen, so hilft nichts anderes, als dieses Unwort zu ignorieren.

Es ist höchst entlarvend, dass die politische Rechte andauernd die Sprache zur Sprache bringt, Mäßigung in der Sprache, ein »Abrüsten der Sprache« fordert, wo politische Gewalt und das Aufrüsten mit Waffen überall im Ansteigen begriffen sind. Das ist ein Ablenkungsmanöver, auf das man besser nicht hereinfällt. Die Konservativen und Rechten haben seit vielen Jahren nichts anderes getan, als sich von Lobbys dafür bezahlen zu lassen, effektive Umweltpolitik, die dringend nötig ist zu verhindern (auch mit Kampagnen der Boulevardpresse) und fossile Energie und Waffenkäufe zu fördern. Das ist auch ein »Kulturkampf«. Nur wird er nicht mit Worten bestritten, sondern mit Geld.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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