Die FPÖ warf sieben Gemeinderäte aus der Partei, nachdem sie einer Order zum Budget in Neunkirchen nicht nachkamen. Der betroffene Vizebürgermeister wehrt sich gegen den Ausschluss und ortet ein „Exempel“, da in der Landeskoalition „Krieg“ herrsche.
Die Wahl in Neunkirchen war für Marcus Berlosnig ein durchaus beachtlicher Erfolg. Als FPÖ-Spitzenkandidat heimste der studierte Wirtschaftsjurist bei den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen im Jänner 23,16 Prozent ein – ein Plus von knapp 14 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Es folgte, wie auch auf Landesebene, eine Koalition mit der ÖVP, Berlosnig wurde Vizebürgermeister.
Zehn Monate steht er, wie fast sein gesamtes Team aus dem Gemeinderat, mit der FPÖ im Clinch. Die Landespartei warf Berlosnig und sechs weitere Mandatare Anfang Oktober aus der Partei. Der Grund: Ein ausgearbeiteter Sparplan wurde entgegen einer Order “von oben” mitbeschlossen. Berlosnig hätte die Stadtkoalition sprengen sollen, so seine Darstellung – was von ihm verweigert wurde. Die Episode ist mehr als nur eine Provinzposse, immerhin gilt die niederösterreichische Landespartei als Herbert Kickls Machtbastion. Zudem war in der Eskalation vor Ort offenbar auch Spitzenpersonal involviert.
“Ritterkreuz” oder “mediale Steinigung”
Im Gespräch mit ZackZack schildert Berlosnig, wie sich der Streit aus seiner Sicht zuspitzte. Den Sommer über habe man anhand eines Sanierungsplans des Landes ein Konsolidierungsbudget erarbeitet. Ab September sei ihm dann von der Landespartei der Landtagsabgeordnete Dieter Dorner “als Experte” zur Seite gestellt worden. “Mit ihm sollte ich mich abstimmen, was auch umfassend passiert ist”, beteuert der Vizebürgermeister.
Tatsächlich schnürte man in der Folge ein 3,5 Millionen schweres Sparpaket. Laut Berlosnig seien vonseiten Dorners dazu keine großen Widerstände gemeldet worden, im Gegenteil soll ein theoretisch noch größeres Sparpotenzial kommuniziert worden sein.
Zwei Tage vor der Abstimmung sei er vom Landesparteisekretär und einem zweiten Parteivertreter angerufen worden. „Ich solle mich unverzüglich zwischen zwei Optionen entscheiden. Wenn ich als Vizebürgermeister zurücktrete, würde mich die Partei mit dem Ritterkreuz auszeichnen und ein Narrativ erzeugen, in dem ich heroisch gegen die Volkspartei gekämpft habe”, wird Berlosnig vom ORF zitiert. Die andere Variante sei gewesen, „dass ich nicht zurücktrete, ich im Gegenzug fallen gelassen werde und als Volksverräter medial gesteinigt würde. Ich entschied mich, nicht zurückzutreten.“ Gegenüber ZackZack bekräftigt der Vizebürgermeister die Schilderungen.
Die Folge sei ein “Geheimtreffen” in Neunkirchen “von Parteigranden” gewesen, darunter auch Generalsekretär Michael Schnedlitz. Man habe Gemeinderäte aber größtenteils nicht erreichen können, weshalb tags darauf noch Mitglieder der Landespartei und auch ein Nationalrat “ausgeschwärmt” seien und Mandatare teils an ihren Wohnadressen aufgesucht hätten, um sie umzustimmen. Davon soll es laut Berlosnig auch Videoaufzeichnungen geben.
In Landeskoalition herrsche “Krieg hinter verschlossenen Türen”
Die FPÖ Niederösterreich reagiert auf detaillierte Nachfragen zu Berlosnigs Schilderungen gereizt und droht pauschal mit einer Prüfung “rechtlicher Schritte” ohne auf einzelne Punkte einzugehen: “Für uns ist die Sache seit Wochen erledigt. Wir weisen darauf hin, dass Ihre Anfrage unwahre und schwachsinnige Behauptungen enthält”, schreibt Landesparteisekretär Alexander Murlasits. Gegenüber der Presse sagte Bezirkschef Jürgen Handler, der Hausbesuch bei einem Mandatar sei “das Normalste auf der Welt” gewesen “um Schlimmeres zu verhindern.”
In Neunkirchen rumort es jedenfalls weiter. Neben dem rausgeworfenen Team aus Neunkirchen verließ eine Kommunalpolitikerin aus einer Nachbargemeinde als Reaktion auf die Vorgänge die Partei. Pikant: bei ihr handelt es sich um die Ehefrau von Bezirkschef Harndler. Vizebürgermeister Berlosnig will indessen seinen Parteiausschluss anfechten, ihm gehe es als Jurist darum, den aus seiner Sicht ungerechtfertigten Ausschluss mit den vorhandenen Möglichkeiten zu bekämpfen.
Von weitem mag der Blick auf die Eskalation in Neunkirchen verwundern – immerhin regiert in Stadt wie in Land die ÖVP mit der FPÖ. Berlosnig hat dazu eine Theorie: “Das, was sich da auf Landesebene Koalition schimpft, ist das Wort nicht wert. Es herrscht da oben ein Krieg hinter verschlossenen Türen.” Die Landespartei sei “im Vorwahlkampfmodus” und hätte in Neunkirchen “ein Exempel” statuieren wollen, vermutet der Kommunalpolitiker. Auch zum Klima in der Landeskoalition stellte ZackZack der FPÖ eine Frage, welche unbeantwortet blieb.
Titelbild: ROLAND SCHLAGER / APA /, TOBIAS STEINMAURER / APA /, Glanzl, C.Stadler/Bwag – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=80245943
