Am Donnerstag war die Gemeindeärztin von Rossatz, Dagmar W., als Zeugin im Pilnacek-Buch-Verbotsprozess geladen. Sie berichtete über polizeilichen Widerstand gegen die Obduktion von Pilnaceks Leiche und eine polizeiliche Leichenbeschau, die niemand im Akt findet.
Zu Spekulationen nach Pilnaceks Todesursache wollte sich die Gemeindeärztin Dagmar W. nach mehrmaliger Nachfrage nicht hinreißen lassen. Eines sei für sie aber klar gewesen: Da sie keine Todesursache feststellen konnte, habe sie eine Obduktion angeregt. Doch sie traf auf Widerstand der Polizei.
Überraschend war, dass W. behauptete, nie eine Leichenbeschau durchgeführt zu haben, sondern lediglich eine Totenbeschau. Im Ermittlungsakt findet sich jedoch eine von einem Kriminalbeamten unterzeichnete Leichenbeschau.
Polizei versuchte, Obduktion zu verhindern
Die Ärztin bestätigte vor Gericht ihre bisherigen Aussagen in den Pilnacek-Ermittlungen. Die Beamten am Fundort der Leiche hätten Widerstand gegen die von ihr angeregte Obduktion geleistet, sagte W. vor Gericht: „Wie ich gesagt habe, eine Obduktion ist notwendig, haben die [Polizisten] sich massiv dagegen gewehrt.“
Ausführlich schildert W., was nach ihrem Eintreffen am Fundort von Pilnaceks Leiche geschah. Für die von ihr durchgeführte Totenbeschau – die sich von der kriminalpolizeilichen Leichenbeschau unterscheidet – ließ sie die Leiche zunächst ausziehen und umdrehen. Dabei stellte sie noch keine Totenflecken fest, erwähnte aber mehrmals einen blauen Kopf. Weil für W. nicht klar war, woran Pilnacek gestorben war, wollte sie eine Obduktion anregen.
Eine Polizistin, die mit der damals zuständigen Staatsanwältin S. telefonierte, entfernte sich von W. und wollte die Staatsanwältin offenbar davon überzeugen, keine Obduktion zu veranlassen. „Dann ist die Polizistin damals weggegangen und hat dann mit der Frau Magister [der Staatsanwältin] telefoniert “, so W. Die Ärztin ging der Polizistin allerdings nach und verlangte das Telefon, um S. von der Notwendigkeit einer Obduktion zu überzeugen. Dazu händigte sie der Polizei später einen Zettel aus. Das Stück Papier erreichte die Staatsanwältin jedoch nie. Eine Obduktion wurde trotzdem angeordnet.
W. schilderte wiederholt, dass ihr das Verhalten der Polizei seltsam vorkam. Von einem „völlig unüblichen Verhalten der Polizei einer Ärztin gegenüber“ war die Rede.
Dass sie oder jemand anderer vor Ort Fremdverschulden eindeutig ausgeschlossen habe, verneinte die Ärztin. Ihr sei es nur um eines gegangen: Da der Tote einen auffällig tiefblauen Kopf hatte und am Rücken treibend im Flachwasser gefunden worden war, konnte sie Fremdverschulden nicht ausschließen – und empfahl eine Obduktion.
Einige Polizisten spekulierten nach Aussage von W. jedoch damals schon über einen Suizid.
Die mysteriöse Leichenbeschau
Überraschend war, dass die Gemeindeärztin mehrmals betonte, keine kriminalpolizeiliche Leichenbeschau, sondern eine reine Totenbeschau durchgeführt zu haben. Im Ermittlungsakt findet sich trotzdem ein Dokument, das auf eine Leichenbeschau nach § 218 der Strafprozessordnung hindeutet. Dieses wurde aber nicht von W., sondern von einem Polizeibeamten unterschrieben. „Wer die Leichenbeschau bei Christian Pilnacek gemacht hat, weiß ich nicht, ich war’s nicht“, sagte W. vor Gericht. Klar ist, dass so eine Beschau eine ärztliche Tätigkeit ist und somit von einem Arzt oder einer Ärztin vorgenommen werden muss.
Sowohl ZackZack-Herausgeber Peter Pilz, als auch dessen Anwalt Volkert Sackmann wollten von der damals leitenden Beamtin deshalb wissen, wer diese Leichenbeschau durchgeführt habe. Laut der Beamtin habe Ärztin W. sehr wohl eine Leichenbeschau durchgeführt, diese bestritt das vehement.
Der zweite Zeuge
Als zweiter Zeuge des Tages war der gerichtsmedizinische Gutachter Christian M. geladen. In seinem Gutachten sprach er von „Gewalteinwirkung“ auf Pilnacek, hielt die Verletzungen auf dessen Körper aber für die Folge eines komplexen Sturzgeschehens. Er könne als Gerichtsmediziner jedoch andere Gewalteinwirkung nicht ausschließen, so M., der der Ansicht war, Pilnacek habe sich möglicherweise das Leben genommen und sei ertrunken. Wie sich ein 1,90 Meter großer Sektionschef im 1,70 Meter tiefen Wasser ertränkt, konnte M. nicht überzeugend darstellen.
Andere Gerichtsmediziner kommen zu anderen Schlüssen. Nur eines scheint klar: Wenige Stunden nach Pilnaceks Tod stand keine Todesursache fest – auch nicht Selbstmord.
Die Befragung von M. erwies sich aufgrund zahlreicher Zwischenrufe der Anwälte der klagenden Polizisten als strapaziös. Sichtlich entnervt machte Richter Daniel Potmesil mit dem Ausruf „Ich möchte jetzt auch ein paar Fragen stellen, darf ich, darf ich? Ich glaube ja“ auf sich aufmerksam.
Der Prozess soll mit der Befragung von Anna P. fortgesetzt werden. Sie sagte in unterschiedlichen Runden und zu verschiedenen Zeitpunkten, dass Bundespolizeipräsident Michael Takacs ihr geraten habe, Pilnaceks Laptop verschwinden zu lassen. Später widerrief sie diese Aussage. Inzwischen belasten sie fünf Zeugen.
Eine wichtige Entscheidung traf der Richter zum Schluss: Gerichtsgutachter Michael Tsokos wird nicht geladen.
Titelbild: HANS PUNZ / APA / picturedesk.com, ZackZack
