Die Mobilisierung zum Protest gegen Donald Trump ist in den USA im ganzen Land geglückt. Daniel Wisser fasst Pressestimmen aus den USA zusammen. Aus der Republikanischen Partei gibt es nur sehr wenigen Reaktionen.
Ist die Zivilgesellschaft noch da? Diese Frage stellt sich heute in so vielen Ländern. In den USA hat sie sich am Samstag artikuliert. Und zwar deutlich. Zum dritten Mal seit dem Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit kam es zu gut organisierten und friedlichen Massenprotesten im ganzen Land. Corinna Knoll in der New York Times:
Es waren Lehrer und Anwälte, Militärveteranen und entlassene Regierungsangestellte. Kinder und Großmütter, Studenten und Rentner. Sie strömten in Scharen aus dem ganzen Land in die großen Städte und Kleinstädte, erschienen in Kostümen, spielten Musik, schwenkten Schilder, hissten amerikanische Flaggen und jubelten, wenn vorbeifahrende Autos hupten.
Zahlreiche Demonstrationen
Die offiziellen Angaben – vermutlich wie üblich notorisch zu niedrig angesetzt – sprechen von 100.000 Demonstranten in New York City. Corinna Knoll:
Beamte in New York gaben an, dass mehr als 100.000 Menschen in allen fünf Stadtbezirken demonstrierten. Eine der größten Menschenansammlungen gab es am Times Square, wo die Straßen in einer karnevalsähnlichen Atmosphäre mit auffälligen, frechen Schildern überflutet waren, auf denen beispielsweise „Ich schwöre Treue zu keinem König“ zu lesen war. Die Demonstranten trugen die aufblasbaren Froschkostüme, die Aktivisten in Portland, Oregon, zu tragen begonnen hatten, um sich über den Versuch des Weißen Hauses lustig zu machen, Aktivisten als Anarchisten oder inländische Terroristen darzustellen. „No more Trump!“ skandierte die Menge, während sie amerikanische Flaggen schwenkte.
Die L. A. Times spricht von 2.700 Demonstrationen im ganzen Land:
Mehr als 2.700 „No Kings“-Demonstrationen waren landesweit geplant, etwa 600 Veranstaltungen mehr als im Juni. Die Demonstrationen in New York, Chicago, Atlanta und Boston zogen riesige Menschenmengen an. Im Juni versammelten sich rund 5 Millionen Demonstranten im ganzen Land zu den ersten „No Kings“-Protesten, als die Agenda der Trump-Regierung langsam Gestalt annahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Heimatschutzministerium begonnen, groß angelegte Razzien gegen Einwanderer in Südkalifornien durchzuführen, und Trump entsandte als Reaktion auf die Massenproteste Militär nach Los Angeles.
Dass sich die Demonstrantinnen und Demonstranten durchaus als patriotische Amerikanerinnen und Amerikaner sehen, bringt der Dokumentarfilmer Matt Faw so zum Ausdruck:
“Die Symbole Amerikas wurden von Menschen gestohlen, die darauf bestehen, dass Amerika für weiße, christliche patriarchalische Macht steht“, sagte Faw. „Im Gegensatz dazu, sehe ich Gruppen, die sich stark voneinander unterscheiden, aber lernen, miteinander auszukommen und gemeinsam eine bessere Union zu bilden.“
Überwiegend Friedlich
Im Boston Globe streichen Lila Hempel-Edgers, Sean Cotter und Nick Stoico die Friedlichkeit und Gewaltlosigkeit der Proteste heraus:
Die Demonstration am Samstag in Boston verlief unter starker Polizeipräsenz, aber ohne größere Zwischenfälle. Die Polizei von Boston meldete keine Festnahmen, wie ein Sprecher eine Stunde nach Auflösung der Menschenmenge mitteilte, und es gab keine nennenswerten Gruppen von Gegendemonstranten.
Und es fanden sich, so der Boston Globe weiter, durchaus viele Personen unter den Protestierenden, die sich schon früher gegen amerikanische Präsidenten und ihre Politik gestellt hatten:
Die Demonstration war eine sorgfältig inszenierte Veranstaltung mit einer großen Bühne, einer aufwendigen Soundanlage und Informationsständen für die Teilnehmer. Mit Musik, Kostümen, Straßenhändlern und Plakaten voller Wortspiele herrschte eine Festivalatmosphäre, die eher von den Protestbewegungen des letzten Jahrhunderts als denen der letzten zehn Jahre inspiriert war. Passend dazu schien das Publikum insgesamt älter zu sein, es waren vor allem Menschen, die bereits während des Vietnamkriegs und der Reagan-Ära an Protesten teilgenommen hatten, wie einer der Musiker bemerkte.
Wie die Chicago Sun-Times berichtet, hielt bei den Protesten in Chicago Bürgermeister Brandon Johnson, im Grant Park eine emotionale Rede:
„Der Versuch, diese Nation zu spalten und zu beherrschen, wird nicht erfolgreich sein“, sagte Johnson. „Wenn das Volk vereint ist, siegt immer die Gerechtigkeit.“ Der Bürgermeister kritisierte erneut die Abschiebungskampagne des Präsidenten und sagte: „Donald Trump nutzt die ICE als seine private, militarisierte Besatzungsmacht. Aber wir sagen ganz klar: Wir wollen keine Truppen in unserer Stadt.“
Die Chicago Sun-Times weiter.
Die größere Botschaft wurde vielleicht von den Menschenmassen vermittelt, die sich versammelt hatten. Die Demonstration im Grant Park schien größer zu sein als frühere Märsche und Kundgebungen, mit Menschen, die dicht gedrängt große Teile des Parks in der Innenstadt füllten, und einer geschätzten Teilnehmerzahl von Zehntausenden bis zu 100.000 oder mehr.
Gegen Undemokratische Maßnahmen
Der Portland Press Herald berichtet von zahlreichen Demonstrationen. Schon im Vorfeld war klar, dass sich die Protest gegen zahlreiche undemokratische Maßnahmen der Trump-Regierung richten:
Ezra Levin, einer der führenden Organisatoren der Proteste am Samstag, erklärte gegenüber Associated Press, dass die Demonstrationen eine Reaktion auf Präsident Donald Trumps Vorgehen gegen die First Amendment definierten Rechte seien. Levin, Co-Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation Indivisible, verwies auf Trumps umfassende Einwanderungsmaßnahmen, seine beispiellosen Versprechen, die Macht der Bundesregierung zu nutzen, um die Zwischenwahlen 2026 zu beeinflussen, die Bemühungen seiner Regierung, die Pressefreiheit einzuschränken, und seine Ankündigungen, politische Gegner zu bestrafen.
Der Portland Press Herald versucht die Proteste in den umliegenden Städten zusammenzufassen:
In Maine sind Proteste in Augusta, Bangor, Bath, Belfast, Bridgton, Brunswick, Calais, Castine, Cherryfield, Dexter, Ellsworth, Farmington, Freeport, Houlton, Lewiston-Auburn, Lubec, Machias, Ogunquit, Penobscot, Portland, Porter, Presque Isle, Rockland, Saco, Sanford, Skowhegan, South Paris, South Portland, Southwest Harbor, Vinalhaven, Waterville, Wayne, Wells, Windham, Wiscasset, Yarmouth und York geplant, wie Mobilize mitteilt, einer Plattform, die häufig von der Demokratischen Partei genutzt wird, um Freiwillige zu rekrutieren und Proteste zu organisieren.
Bis auf die erwartbar abwertenden Kommentare von Donald Trump selbst, J. D. Vance und Fox News waren aus der Republikanischen Partei fast keine Reaktionen auf die Protest zu hören. Mike Johnson, Republikaner und Vorsitzender des Repräsentantenhauses, bezeichnete die Proteste eher einfallslos als „Marxismus und Sozialismus“, wollte aber ihre Gewaltlosigkeit und das Recht der Demonstrierenden auf Meinungsfreiheit nicht leugnen.
Titelbild: Manon Véret
