Samstag, Dezember 6, 2025

Pilnacek-Kehrtwende: Staatsanwaltschaften im Wind

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien stand felsenfest hinter der Staatsanwaltschaft Krems – bis sich der Wind drehte.

Heute beginne ich mit einer Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Wien, die keine Zweifel offenlässt:

„Angesichts der aktuellen Berichterstattung betreffend die durch Dr. Peter PILZ getätigten Äußerungen im Zusammenhang mit dem Todeseintritt des Mag. Christian PILNACEK sowie der Kritik des Erstgenannten an der Führung des bezughabenden Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau erfolgt seitens der Oberstaatsanwaltschaft Wien nachstehende Stellungnahme:

Entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung hat die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau nach Auffindung des Leichnams von Mag. Christian PILNACEK die gebotenen Schritte gesetzt, um die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Frage von Bedeutung sind, ob der Tod durch eine Straftat verursacht worden sein könnte.“

Keine Spekulationen

Die Staatsanwaltschaft Krems hat also alles richtig gemacht. Die OStA erklärt auch, warum: „Aus den sohin vorliegenden Ermittlungsergebnissen, allen voran dem gerichtsmedizinischen Gutachten, das infolge der (am Auffindungstag) staatsanwaltschaftlich angeordneten Obduktion erstattet wurde, wurde nachvollziehbar und beanstandungsfrei der Schluss gezogen, dass von keinem Fremdverschulden am Ableben des Mag. Christian PILNACEK auszugehen war.“

Die Oberstaatsanwaltschaft steht also wie ein Fels in der Donaubrandung hinter ihrer Filiale in Krems:

„Der darauf abzielende Vorhabensbericht der genannten Staatsanwaltschaft wurde daher nach fachaufsichtsbehördlicher Prüfung durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und das Bundesministerium für Justiz genehmigt. Eine Beteiligung an bzw Kommentierung von Spekulationen und Mutmaßungen wird seitens der Ermittlungsbehörden nicht stattfinden.“

Der folgende Absatz passt allerdings nicht ganz dazu:

„Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat das Ermittlungsverfahren zum Ableben des Mag. Pilnacek von der Staatsanwaltschaft Krems nunmehr an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt übertragen. Diese Entscheidung wurde getroffen, um das Vertrauen in die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit bei der Führung des Ermittlungsverfahrens zu gewährleisten und jeden Anschein einer Befangenheit hintanzuhalten.“

Der Kragen der OStA

Also: Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat die Pilnacek-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Krems mitsamt deren gerichtsmedizinischen Ergebnissen penibel geprüft. Meine Spekulationen hat sie ebenso zurückgewiesen wie die der Gutachter aus Berlin und Innsbruck, die die Selbstmordlegende widerlegten. Das war am 27. Februar 2025.

Der letzte Absatz stammt aus der OStA-Presseerklärung vom 4. September 2025. Der Wind hat sich gedreht, und mit ihm die Oberstaatsanwaltschaft in Wien. Der Kremser Kopf war nicht mehr zu retten. Jetzt, kurz vor Einsetzung des Pilnacek-Untersuchungsausschusses, geht es um den Kragen der OStA selbst.

Was ist hier los in der Justiz? Darauf gibt es eine ebenso einfache wie seltsame Antwort: Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften tun alles, um eine Aufklärung des Falls „Pilnacek“ zu verhindern, weil diese die Reste des alten Pilnacek-Reichs in der Strafjustiz zum Zusammenbrechen bringen könnte.

Krems geopfert

Wer dem Fall „Pilnacek“ auf den Grund geht, findet hier alles, was das System des mächtigen Sektionschefs ausgezeichnet hat:

  • eine politische Kastenjustiz, die die Politiker der Familie und ihre Spender in Industrie, Banken und Immo-Unternehmen schützt;
  • Spitzen in Oberstaatsanwaltschaften, die von heiklen Verfahren bis zu unbequemen Journalisten alles „daschlogn“, was der Familie gefährlich wird;
  • und eine Kriminalpolizei, auf die man sich von Spuren an Tatorten bis zur Auswertung von Handys verlassen kann.

Jetzt wird eine Staatsanwaltschaft im Fall „Pilnacek“ geopfert, um das Pilnacek-System zu retten. Zum ersten Mal ist die türkise Kastenjustiz in ernsthafter Gefahr. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte lautet: Die Justiz-Kaste darf noch immer weitermachen. Die Justizministerin sieht noch immer tatenlos zu und zögert mit dem entscheidenden nächsten Schritt: der Weisung, dass der Fall „Pilnacek“ auch der Oberstaatsanwaltschaft Wien entzogen wird.

Rechtsstaat in Gefahr

So wird Stück für Stück das Ansehen des Rechtsstaats demoliert. Das ist auch deshalb gefährlich, weil es dem österreichischen Rechtsstaat nicht sehr gut geht. Er wird von zwei Seiten angegriffen: politisch und religiös. Für Parteien eines Rechtsblocks, die ihre Vorbilder in Budapest und Washington sehen, ist er ein lästiges Hindernis auf dem Weg zur totalen Macht. Für religiöse Fanatiker, die unter den Augen des Innenministers ungestört in ihren Hassmoscheen rekrutieren, ausbilden und vorbereiten können, ist er gemeinsam mit unseren Freiheiten der Feind.

Das Fundament des Rechtsstaats ist das Vertrauen in ihn. Nur wer ihm vertraut, wird bereit sein, ihn auch zu verteidigen. Der Weg zurück zu diesem Vertrauen führt über Grasser, Pilnacek und Kurz und damit über rechtsstaatliche Verfahren, die zeigen, dass türkise Familienmitglieder nicht über den Gesetzen stehen.

Tsokos-Gutachten

Auch deshalb bin ich gerne bereit, einen Neuanfang der Pilnacek-Ermittlungen zu unterstützen. Bekanntlich hat sich die Staatsanwaltschaft bei ihrem Versuch, das Gutachten des Berliner Gerichtsmediziners Michael Tsokos beizuschaffen, in ein nordhessisches Dorf verirrt. Da helfe ich gerne und werde dazu das erste Tsokos-Gutachten am kommenden Donnerstag auf ZackZack veröffentlichen. Wenn es gewünscht wird, schicke ich ein Exemplar nach Eisenstadt.

Am kommenden Dienstag geht es allerdings noch einmal um mein Pilnacek-Buch und die Polizeispitzen, die es verbieten lassen wollen. Die Hauptverhandlung am Wiener Landesgericht für Strafsachen beginnt am Dienstag, den 9. September, um 9.30 Uhr im Saal 203. Als erster Zeuge kommt Landespolizeidirektor Franz Popp. Nach ihm werden wir viel Zeit brauchen für Chefinspektor und neuerdings Ministerialrat Hannes Fellner, den Leiter der polizeilichen Pilnacek-Ermittlungen. Von Handy bis Smartwatch war er überall maßgeblich dabei.

p.s.: Wer an einem schönen Spätsommertag Karl Heinz Grasser bei einer Strandparty trifft, sollte eines nicht vergessen: Grasser ist ein verurteilter Straftäter, den man so resozialisieren will. Ich bin schon gespannt, wen wir in ein, zwei Jahren bei den Fußfesselpartys am Wörthersee bewundern dürfen und hoffe, im Justizministerium informiert man sich noch rechtzeitig über den Unterschied zwischen Generalprävention und Generalermunterung.

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