Mit seiner Weigerung, der WKStA die Daten der Pilnacek-Smartwatch zu überlassen, hat Stefan Pfandler als Direktor des Landeskriminalamts St. Pölten möglicherweise einen folgenschweren Fehler begangen.
Am 17. Juni 2024 schickte Stefan Pfandler als Direktor des Landeskriminalamts Niederösterreich zwei Beamtinnen des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung nach Hause. Sie waren im Auftrag der WKStA aus Wien zu ihm nach St. Pölten gekommen, weil sie seine Amtshilfe im Fall „Pilnacek“ brauchten. Doch am 17. Juni war Pfandler dazu nicht bereit.
Als Leiter der polizeilichen Pilnacek-Ermittlungen hatte Chefinspektor Hannes Fellner vier Monate zuvor nach dem Handy auch Pilnaceks Galaxy-Smartwatch der Witwe des Sektionschefs zukommen lassen. Zu diesem Zeitpunkt dürften weder Fellner noch sein Chef Pfandler gewusst haben, wie die Grazer Gerichtspräsidentin Caroline List mit Beweismitteln im Fall „Pilnacek“ umgeht.
Die Beamtinnen des BAK wussten, dass es im Landeskriminalamt noch immer eine Kopie der Smartwatch-Daten gab. Jetzt standen sie mit einem schriftlichen Amtshilfeersuchen im Büro des Kripo-Chefs – und erlebten, wie ihnen der Direktor des Landeskriminalamts die Herausgabe der Daten verweigerte.
Falsche Rechtfertigung
Später rechtfertigte sich Pfandler, er sei nicht grundsätzlich gegen eine Herausgabe des Sticks gewesen, doch „das heißt nicht, dass ich mit einem Dreizeiler kommen kann und reinschreiben kann, wir ermitteln jetzt und wir möchten das haben, sondern das genauso zu begründen ist, was der Tatverdacht ist, warum ich das haben möchte und was möchte ich damit erreichen“.
Genau das ist falsch. Die Amtshilfe ist in Artikel 22 der Bundesverfassung kurz und klar geregelt: „Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet.“ BAK und WKStA hatten nur eines nachzuweisen: dass sie im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereichs handelten. Das haben sie getan.
Der Kripo-Chef gab auch beim Telefonat mit der zuständigen Oberstaatsanwältin der WKStA nicht nach: „Ich habe ihr das genauso gesagt, wie ich es den Kolleginnen des BAK gesagt habe, worauf sie zunächst gemeint hatte, dass sie mit einer Sicherstellungsanordnung kommen wird, woraufhin ich gesagt habe „Spannend. Okay.“
Inzwischen rechtfertigt Pfandler seine Weigerung mit § 76 der Strafprozessordnung. Er habe „die Verpflichtung (gehabt), das Ersuchen zu prüfen, um nicht Geheimhaltungsinteressen oder datenschutzrechtliche Pflichten zu verletzen“. Aber auch das stimmt so nicht. Pfandler hatte das Recht, die Herausgabe zu verweigern, falls die personenbezogenen Daten in besonderem Maße geschützt waren. Das hätte er anhand der Daten selbst prüfen können. Die Beurteilung der Ermittlungen der WKStA stand ihm ebenso wenig zu wie die Verweigerung der Daten.
Zeit gewinnen
Pfandler musste wissen, dass er keine Möglichkeit hatte, auf Dauer die Herausgabe der Daten zu verweigern. Er konnte nur eines: Zeit gewinnen. Aber wozu hätte der Chef der niederösterreichischen Kripo Zeit gebraucht?
Der Kripo-Chef schloss sein Telefonat mit der WKStA-Oberstaatsanwältin mit einem Satz: „Wir sind da und die Daten auch“. Heute kommt es auf jedes Wort an. Niemand bestreitet, dass „die Daten“ da sind. Aber sind es alle Daten? Daran bestehen inzwischen schwere und begründete Zweifel.
Pfandler bestreitet nach wie vor jedes Fehlverhalten: „Es wird von Seiten des LKA NÖ nachdrücklich darauf hingewiesen, dass keinerlei Daten von einem dem BAK übergebenen Datenträger gelöscht wurden.“ Vielleicht ist das die Wahrheit.
Smartwatch bei List
Es gibt einen einfachen Weg, das zu überprüfen. Man muss nur die Smartwatch als Beweismittel sicherstellen, noch einmal auswerten und die so gewonnen Daten mit denen, die die WKStA mit großer Verspätung vom Landeskriminalamt bekommen hat, vergleichen. Wie das Handy ist auch die Smartwatch bei Gerichtspräsidentin List in Graz gelandet. Das Handy wurde von List thermisch entsorgt. Aber vielleicht ist die Smartwatch keinem Bunsenbrenner zum Opfer gefallen. Vielleicht hat die Gerichtspräsidentin beim zweiten Beweismittel mehr Rücksicht auf mögliche Ermittlungen genommen.
Kripo-Chef Pfandler hat am 17. Juni 2024 mit seiner Weigerung einen Fehler begangen. Am 24. Juni hat jemand mit dem Namen „fuchs“ auf die Daten zugegriffen und dabei mit der Excel-Datei „Gelöschte Daten“ Spuren hinterlassen. Der Verdacht, dass im Landeskriminalamt Niederösterreich kurz nach Pfandlers Weigerung und vor der Weitergabe an die WKStA Daten manipuliert oder gelöscht worden sind, steht im Raum. Die Klärung, ob Pfandler nur einen Fehler begangen hat, liegt jetzt bei der WKStA und beim kommenden Pilnacek-Untersuchungsausschuss.
Dann wird man sehen.
Titelbild: HELMUT FOHRINGER / apa / picturedesk.com, ZackZack, Auszug Foto LKA NÖ
