Samstag, Dezember 6, 2025

Pilnacek-Verbotsprozess: “Was soll das Handy für einen Mehrwert haben?”

Am Mittwoch wurde der Verbotsprozess gegen das Pilnacek-Buch fortgesetzt. Eine klagende Kontrollinspektorin fiel mit falschen Uhrzeiten und einem interessanten Verhältnis zur Notärztin Dagmar W. auf. Pilnacek-Witwe Caroline List verweigerte die Antwort auf eine brisante Frage.

Bis auf den letzten Platz war der Saal 203 des Landesgerichts Wien Mittwochvormittag gefüllt. Während die Akustik des Prozesses leider immer wieder durch laute Bohrgeräusche von Bauarbeiten im Haus gestört wird, ist das öffentliche Interesse am verhandelten Inhalt enorm. Bekanntlich wollen drei hochrangige Polizisten und eine Kontrollinspektorin das Pilnacek-Buch gerichtlich verbieten lassen, weil sie sich darin verunglimpft sehen.

Am Mittwoch wurden dann Änderungen im Prozessprogramm bekannt. Niederösterreichs Landespolizeidirektor Franz Popp, der neben Bundespolizeidirektor Michael Takacs und LKA-Chef Stefan Pfandler (beide sagten bereits im Juni aus) als Kläger auftritt, fehlte. Dafür sagte die klagende Kontrollinspektorin Barbara S. zweieinhalb Stunden aus, ihre Antworten gaben teils bemerkenswerte Neuigkeiten preis. Auch Pilnacek-Witwe Caroline List trat als Zeugin auf.

“Habe Ärztin mehrmals angezeigt”

Zu Beginn schilderte Kontrollinspektorin S. ihren beruflichen Werdegang bis zur Kommandantin in Mautern. Am 20. Oktober 2023, dem Todestag von Christian Pilnacek, koordinierte S. den Polizeieinsatz am Auffindungsort, einem Seitenarm der Donau bei Rossatz. Bekannt ist, dass sich die hinzugezogene Gemeindeärztin Dagmar W. in ihrer Anregung einer Obduktion “massiv” durch Polizisten behindert sah, wie W. vor der WKStA aussagte.

Vor Gericht darauf angesprochen, ortete Richter Daniel Potmesil “eine gewisse Emotion” bei der Polizistin. Diese ließ mit einem interessanten Verhältnis zur Ärztin aufhorchen: “Ich kannte sie persönlich nicht, aber ich hatte sie tatsächlich schon mehrmals zur Anzeige gebracht.” Es habe sich um zwei Parkdelikte gehandelt. Potmesil interessierte, ob sich aus dieser Vorgeschichte heraus ein Konflikt vor Ort ergab. “Ich hoffe nicht”, so die Kontrollinspektorin, stellte aber gleichzeitig in den Raum, dass die Medizinerin eine Obduktion nur wegen Pilnaceks Prominenz anregte.

Selbst brachte die Kontrollinspektorin zeitliche Zusammenhänge gehörig durcheinander: Zu Beginn sprach sie von ihrem Eintreffen am Auffindungsort um kurz nach 8 Uhr. Ein Telefonat mit der Staatsanwältin habe um 8:45 stattgefunden. Erst später klärte Peter Pilz bei seinen Fragen an S. auf, dass die Zeiten nicht stimmen können und sich alle Angaben tatsächlich um eine Stunde später zugetragen haben müssen. Richter Potmesil pflichtete der Verwirrung bei: “Das ist mit der Aktenlage nicht ganz in Einklang zu bringen.”

Stummel-Aussage nie korrigiert

Bemerkenswert war, dass für die Kontrollinspektorin zum Zeitpunkt ihres Telefonats mit der Staatsanwältin bereits ein Suizid feststand. Das sei – nach Korrektur der zeitlichen Verwechslung – um 9:43 gewesen. Gleichzeitig findet sich im Anfallsbericht der Polizistin, der kurz darauf von ihr verfasst wurde, das Wort “Suizid” mit keinem Wort. Zahlreiche Verletzungen fanden darin ebenfalls keine Erwähnung.

Vorgehalten wurde S. auch ihre Aussage unter Wahrheitspflicht, nach der sie am Tatort Zigarettenstummel bemerkt hätte. Dies sei ein “Irrtum” gewesen, in Wahrheit wäre es ein Zigarettenpackerl gewesen. Korrigiert habe sie diese Aussage bei der WKStA aber nie – angeblich, weil niemand damit auf sie zugekommen wäre und sich im Akt auch andere Angaben zu eben jenem Zigarettenpackerl finden würden. Bis heute ist die sachlich falsche Aussage der Inspektorin Teil des Akts der WKStA.

Potmesil befragte S. immer wieder auch zu den von ihr wörtlichen, beklagten Passagen aus dem Pilnacek-Buch. Dort, wo von “männlichen Polizisten” die Rede ist, fühlte sich die Postenkommandantin aus Mautern persönlich betroffen. Hier wurde erkennbar, dass viele der Buchstellen sie gar nicht betreffen, oder sogar das Gegenteil geschrieben wurde: “Kein Polizist aus einem benachbarten Ort hatte ein Interesse, die restlose Aufklärung zu verhindern”, las Pilz der lokalen Beamtin eine entsprechende Stelle aus seinem Buch vor. Eine mögliche Vertuschung sei vielmehr “von oben” ausgegangen.

Pilnacek-Witwe List: “Können Sie das abstellen?”

Einen für Beobachter überraschenden Auftritt hatte am Nachmittag die Grazer Gerichtspräsidentin und Pilnacek-Witwe Caroline List. Sie äußerte sich auf interessante Weise zu den Todesumständen des Sektionschefs. Als ihr etwa Sebastian Kurz später telefonisch kondolierte, habe sie ihn gefragt, warum er glaube, dass Pilnacek Suizid begangen habe. Sie selbst ging ursprünglich davon aus, dass er “gestolpert” sei. Mittlerweile stehe sie aber zu den Ermittlungsergebnissen, dass es sich um Selbstmord gehandelt haben soll.

Ihre spektakuläre Vernichtung des Pilnacek-Handys – sie zerstörte es bekanntlich mit einem Bunsenbrenner – verteidigte sie. Das sei ihre alleinige Entscheidung gewesen, weil sie viele Jahre wegen Pilnaceks Handy “durch die Hölle” gegangen sei. “Für mich ist völlig klar, was mit dem Mann passiert ist. Was sollte das Handy für einen Mehrwert haben?”, so die Gerichtspräsidentin zu Potmesils Erwägungen, dass das Handy ja zur Aufklärung beitragen hätte können.

Peter Pilz fragte List, wieso ausgerechnet sie das Handy ausgehändigt bekam, obwohl sich auch der Bruder Pilnaceks und seine Tochter gemeldet hätten. List erklärte sich das damit, dass sie die “engste Angehörige” sei. Die Frage von Pilz, wer bei der Zerstörung des Handys dabei gewesen sei, verweigerte List eine Auskunft. “Dies sei nicht Gegenstand der Verhandlung. “Stimmt es also, dass List das Handy nicht alleine vernichtet hat? Wer war dabei bei der Bunsenbrenner-Aktion in Graz?” fragt Pilz nach.

Die Grazer Gerichtspräsidentin agierte sichtlich gereizt – als Pilz wiederholt genaue Fragen stellte, warf sie Richter Potmesil entgegen: “Können Sie das abstellen, Herr Rat?” Schon am Beginn der Verhandlung monierte die Anwältin der Kläger das Fragerecht von Pilz. Richter Potmesil bekräftigte aber dessen Recht darauf. Einen kurzen Zeugenauftritt hatte nur Lists Anwalt Rüdiger Schender – er entschlug sich und berief sich auf das Anwaltsgeheimnis. Davon wurde er von List zuvor nicht entbunden, der Anwalt saß mit einem Maulkorb seiner Mandantin im Gerichtssaal.

Fortgesetzt wird der Prozess am 9. September. Mit Spannung wird dann unter anderem die Aussage der Gemeindeärztin Dagmar W. erwartet.


Titelbild: ERNST WEISS / APA / picturedesk.com, HANS KLAUS TECHT / APA/ picturedesk.com, ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com

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