Die diesjährige Weihnachtszeit hält uns den Spiegel vor Augen: Wie Politiker und Milliardäre Hass, Neid und Zwietracht kultivieren, um sich ungestört in ihrem Reichtum zu sonnen.
Vor kurzem saß ich mit einem befreundeten Musiker beim Frühstück in einem Hotel in Nürnberg und wir kamen zum Thema der Tantiemen, die wir mit unseren Songs einnehmen. Ich sagte, eine Zahl erfindend: »Man verdient gut mit den Tantiemen von Streamingdiensten. Halbjährlich bekomme ich eine Abrechnung über 17,90.« Mein Freund antwortete: »Was? Ich bekomme 17 Cent. Du verdienst also das Hundertfache von mir!«
Als ich nach Wien zurückkam, war tatsächlich die Abrechnung der AKM für das erste Halbjahr in der Post: Bankauszahlung über 17,12. Ich hatte also ein wenig übertrieben mit meiner Schätzung. Es wird aber nicht lange so bleiben. Denn gerade überschwemmen die Streamingdienste ihre Portale mit KI-generierter Musik, für die keine Tantiemen anfallen. Es gibt also Milliardäre auf dieser Welt, die mir meine 17,12 und meinem Freund seine 17 Cent auch noch nehmen wollen.
Die Gier
Das ist der bittere Zustand auf dieser Welt: Die unglaubliche Gier, die zur Zerstörung der Musik und der Künste überhaupt führt. Die Kälte. Und damit meine ich nicht die Temperatur, sondern die Rücksichtslosigkeit und Gemeinheit, mit der man alles vernichtet.
Inzwischen ist der Ekel über diese Gier und diese Kälte bei mir teilweise zum physischen Schmerz geworden. Es ist sehr schwierig damit umzugehen. Man braucht Ablenkung. Man braucht ein Umfeld, in dem man etwas anderes erleben kann: Zuneigung, Rücksicht, Großzügigkeit, Höflichkeit, Freundlichkeit.
Die Zerstörung der Mittelschicht
Die Oligarchie grenzt sich nach unten völlig ab. Die überall wütende Zerstörung der gesellschaftlichen Mittelschicht hinterlässt fleißige und interessierte Menschen ohne Aufstiegschancen. Dass sie beim Blick auf die Möglichkeiten ihrer Elterngeneration – Möglichkeiten, die sie heute nicht mehr haben – neidisch werden und vielleicht auch hasserfüllt, ist verständlich. Sie bekommen nicht mehr dieselben Sozialleistungen, Pensionen und Möglichkeiten wie ihre Eltern. Sie werden von enormen Teuerungen ausgebeutet. Sich über fünfundzwanzig Jahre eigenen Wohnraum zu finanzieren, geht sich mit mittleren Einkommen nicht mehr aus. Die Menschen müssen feststellen, dass der Satz, dass Leistung sich lohnt, ein Wahlspruch war, der nicht eingelöst wurde. Die Reichen und Oligarchen haben auf ihrem Rücken eine Gesellschaft errichtet, in der die Mittelschicht für eine Oberschicht bezahlt, die zu wenig oder gar keine Steuern bezahlt.
Das Schlimme an unserer Zeit ist vor allem, dass die Frustrierten ihre Frustration nicht vergessen werden. Immer wieder wird das »Klima des Hasses« oder die »Spaltung der Gesellschaft« bedauert. Aber man sagt nicht dazu, wie dieses Klima geschaffen wurde: durch unsoziale Politik und durch die offene Verachtung der arbeitenden Menschen.
Die Verachtung
Ich weiß nicht, warum so viele österreichische Zeitungen so großes Interesse daran zeigen, beim Parteivorsitz in der SPÖ mitbestimmend zu sein. Da sie Christian Kern nicht mochten und Pamela Rendi-Wagner nicht mochten, ist es kein großes Wunder, dass sie in peinlich ähnlich lautenden Artikeln auch Andreas Babler nicht mögen. Aber der Hohn und die Verachtung eines Menschen aus einer Arbeiterfamilie hat doch neue Dimensionen. Das wird nicht aufhören, bis die Sozialdemokratie ausgelöscht ist.
Nun darf man sich aber auch nicht wundern, dass Menschen sich abwenden. Es wird dann abwertend gesagt, dass sie sich in »ihre Bubble« zurückziehen. Aber nicht alle wollen auf Twitter mit Neonazis diskutieren. Nicht alle wollen andauernd die Verhöhnung ihrer Herkunft lesen.
Die Niedertracht
Auch dass eine alternde Gesellschaft, die dringend Zuwanderer braucht, die im Sozialwesen und der Pflege, in der Gastronomie und im Tourismus und in den Zustelldiensten als billige Arbeitskräfte tätig sind, diese Menschen ständig politisch drangsaliert, ist eine Tatsache, die die Widerwärtigkeit der politischen Gegenwart zum Ausdruck bringt. Was Claudia Plakolm tut und sagt, ist menschenverachtend und niederträchtig. Und wenn sie es nur aus Populismus tut und sagt und nicht aus Überzeugung, dann ist es noch niederträchtiger. Das sogenannte Integrationsbarometer ist ein reiner Hohn, eine offene Einladung zum Ausländerhass.
Auch diese Personen werden nicht vergessen, wie sie behandelt wurden. Sie wissen, dass sie in einer Gesellschaft leben, in der die Reichsten nun in die Regierung streben. Und wie Trump in den USA leiten sie, die sich stets Patriotismus auf die Fahnen schreiben, den Abstieg ihres Landes ein.
Man kann immer etwas tun
Diese Kälte, das gesellschaftliche Klima, in dem niemand mehr dem anderen etwas gönnt, tut uns nicht gut. So kann es nicht weitergehen. Das wissen viele. Nur ist die demokratische Gesellschaft, die sich stets selbst auf die Schulter klopft, völlig machtlos – machtlos gegen Kriege, machtlos gegen die Militarisierung und Brutalisierung ihrer Gesellschaft, machtlos gegen das neue Aufkeimen des Faschismus und des Totalitären. Sie sieht zu und sagt – wieder einmal – achselzuckend: »Was hätten wir den tun sollen?«
Man kann etwas tun. »In der Politik kann man immer etwas tun«, hat Bruno Kreisky einmal gesagt. Man muss damit beginnen, etwas herzugeben. Den Menschen einen Ausblick zu geben. Möglichkeiten. Aufstiegschancen. Freiheit. Raum, in dem sie sich bewegen können.
Den Hamburger nehmen wir trotzdem
Ich gebe meine 17,12 nicht für Weihnachtsgeschenke aus, sondern spende sie gerne einem Milliardär, damit seine Kinder etwas essen können. Vielleicht einen Hamburger? Sie sollen im Fast-Food-Restaurant halt nicht schauen, wer dort arbeitet. Denn es sind lauter Zuwanderer die ganz ganz schlecht integriert sind. Und wir sind mit ihrer Integration unzufrieden. Den Hamburger nehmen wir trotzdem.
