Kleines Denken und kurzfristiges Denken bestimmt die sogenannten Friedensbemühungen in der Ukraine. Es ist Politik wie sie vor vielen Jahrzehnten gemacht wurde: territorial, engstirnig und von alten Männern, die nicht an die Zukunft denken und ihre Vergänglichkeit nicht akzeptieren wollen.
Heute Morgen, noch im Hotel in Fürth (Bayern), wo ich auf Lesereise bin, beginnt mein Problem. Mein Laptop, ein solider Begleiter seit 10 Jahren, will nicht. Ich muss daher diese Zeilen mühsam in einer App schreiben. Schade, denn ich habe mir Großes vorgenommen, das nun ganz klein vor mir erscheint. Ich habe Zeitungsartikel zu den »Bedingungen« für den »Frieden« in der Ukraine gesammelt.
Passend zu meiner Arbeit auf dem Handy mit winzigen Eingabemasken und Buchstaben sind auch die kleingeistigen Kommentare und Staatsmänner. Es gibt auf dieser Bühne nur einen einzigen Darsteller: Vladimir Putin. Die Welt weiß, dass es ihm nicht allein um die Ukraine geht, sondern auch um Aserbaidschan, Georgien, Weißrussland – letztlich um das Gebiet der früheren UdSSR. Jutta Sommerbauer in Die Presse:
Noch sind nicht alle 28 Punkte des neuen Plans für einen Frieden in der Ukraine bekannt. Doch jene Punkte, über die internationale Medien aktuell berichten, sind alles andere als neu. Es sind alte russische Forderungen, die der Kreml in den vergangenen Monaten bereits mehrfach als Bedingung für die Beendigung seines Angriffskriegs genannt hat.
Eine haarsträubende Botschaft
Sommerbauer macht klar, was Putin der Welt klarmachen will: Du greifst jemanden an und gewinnst. Putin wartet auf das Appeasement der Welt, vor allem der USA. Sie werden als ihren Erfolg verkaufen wollen, was in Wahrheit ein Kniefall vor Putin ist. Territorial gesehen gewinnt der Aggressor – eine haarsträubende Botschaft an die Welt. Sommerbauer weiter:
Der Plan soll vorsehen, dass die Ukraine den Donbass (Gebiete Donezk und Luhansk) vollständig an Russland abtritt. Die Ukraine hält weiterhin knapp ein Viertel des Gebiets Donezk. Russland hat vier ukrainische Oblaste im September 2022 vollständig zu seinem Staatsgebiet erklärt, obwohl es nur Teile davon kontrolliert. International wird dieser Schritt nicht anerkannt. Was die beiden weiteren, südlichen Gebiete Cherson und Saporischschja betrifft, wurden noch keine Details bekannt. Einem früheren Vorschlag zufolge soll der Kreml im Süden der Front zu einem Einfrieren der Frontlinie bereit sein.
Vladimir Putin ist ein Feigling – ein erbärmlicher Feigling. Gerade der Umstand, dass er nicht über seine Amtszeit und Lebenszeit (die ja ohnehin seine Amtszeit ist) denken kann und will, macht ihn zu einem letztlich unbedeutenden Politiker, der jetzt mit uralten Methoden des nationalstaatlichen Imperialismus auf Machterweiterung drängt.
Alte Hinhalter
In meinen Zwanzigern ist eine Argumentation auf der politischen Bühne aufgetaucht: eine Bewegung, die supranationales Denken in den Raum gestellt hat. Es war klar, dass viele sich diesem Denken nicht anschließen wollen und viele es nur tun, wenn sie wirtschaftliche Vorteile darin sehen. Das heißt aber alles nicht, dass es falsch ist oder war. Grenzen sind Willkür – räumlich wie zeitlich. Trump, Vance, Merz, Putin und Netanjahu sind Hinhalter und setzen auf zeitliche Grenzen. Sie wollen ihre Amtszeiten so weit wie möglich ausdehnen und ihr Motto ist: Hinter mir die Sintflut. Also sind sie keine großen Politiker, keine Denker, die einen Punkt, der außerhalb ihres Einflussbereichs liegt, im Blick haben. Selbst sehr konservative Stimmen wie Andreas Ross in der FAZ geben das kurzfristige Denken hinter den heutigen Überlegungen zu:
Zur Realität, der Kiew und seine westlichen Partner ins Auge sehen, gehört nur leider auch eine NATO-Vormacht, die in ihrer Begeisterung für die Macht der Stärkeren weiterhin den Wert von Allianzen verkennt. Unter dem transaktionalen Trump blickt Amerika nicht mehr über den Tellerrand eines kurzfristigen politischen und wirtschaftlichen Profitdenkens.
Die ganze Wirklichkeit ist freilich eine andere. Putin denkt nicht an das Ende der Ära-Putin. Aber wer seine Sinne beisammen hat muss so denken. Letztlich geht es um die Menschen und nicht um das politische Reich und seine Grenzen. Traurig, dass bedeutende Stimmen in Europa nicht soweit denken können. Andreas Ross in der FAZ abschließend:
Wer die ganze Realität sieht, wird sich freilich keine Illusionen machen: Putin würde in seiner derzeit komfortablen Lage kaum einen Pakt schließen, der für Kiew und Europa tatsächlich akzeptabel wäre. Bestenfalls ließe Trump Änderungen an dem Papier zu, die ein Njet des Kreml provozieren, und gäbe daran nicht Kiew die Alleinschuld. Dann wäre die Ukraine noch einmal vor ihrem stärksten „Freund“ gerettet. Aber noch lange nicht vor dem Feind.
Titelbild: Manon Verét
