Samstag, Dezember 6, 2025

Wohnhaft in Misogynia

Wer sich zuvor in wilden Verschwörungstheorien eines Kindermissbrauchsringes erging, den Trump sofort beseitigen würde, sobald er an die Macht kam, redet jetzt, wo Trump eindeutig in das Geschehen verwickelt ist, Epsteins Taten klein. Das Opfer war doch eh keine fünf Jahre alt, raunt man nun. Die war fünfzehn! Na dann.

Ganz egal, wie zersplittert die Welt von heute auch ist, eines ist jedenfalls gewiss: Die unverbrüchliche Misogynie, die rechten bis rechtsextremen Bewegungen innewohnt. Selten hat man das Zerrbild der Heiligen und der Hure so deutlich auf diverse Leinwände männlichen Unvermögens projiziert gesehen. Die Heilige: Das Weibchen am Herd, die blonde KI-Venus mit zu vielen Fingern (vielleicht soll sie, inspiriert von der vielarmigen Göttin Kali, einfach mehr Haushaltsdinge und Gattenbefriedigung gleichzeitig erledigen können, wer weiß), geboren aus Schaumschlägerei rechtsextremer rassenreiner Arierfeuchtträume. Die Hure: die junge Frau, die diese Träume nicht teilt. Die alte Frau, die diese Träume nicht teilt. Ersteren wünscht man Vergewaltigungen an den Hals, Letzteren den unwürdigen Tod. Beide jedenfalls: eine an die Wand gemalte Teufelin. In einer seltsamen Gleichzeitigkeit von Dr Jekyll und Mr Hyde handelt es sich hierbei um dieselben Stimmen, die nach dem Schutz „unserer Frauen“ kreischen. 

Die Entwicklungen um die Epstein-Files treiben diese Doppelbödigkeit konsequent weiter: Wer sich zuvor in wilden Verschwörungstheorien eines Kindermissbrauchsringes erging, den Trump sofort beseitigen würde, sobald er an die Macht kam, redet jetzt, wo Trump eindeutig in das Geschehen verwickelt ist, Epsteins Taten klein. Das Opfer war doch eh keine fünf Jahre alt, raunt man nun. Die war fünfzehn! Na dann. Alles halb so schlimm. Könnte jedem passieren!

Und die ältere Frau? Wenn sie sich organisiert und beispielsweise den Omas gegen Rechts beitritt, und dann Fotos der Generalversammlung postet, dann kann es schon passieren, dass sie darunter die widerwärtigste Bestätigungen wüsten Frauenhasses wortwörtlich schwarz auf weiß wiederfindet. Da ist – sehr genital fixiert – von Windeln und Strümpfen die Rede. Von der Hoffnung, die alten Weiber würden endlich den Löffel abgeben. Der Vermutung, Demenz sei an der politischen Einstellung schuld. Und es geht schon wieder: um den weiblichen Körper. Genitalien, Hirn und Herz. Nun muss man wirklich nicht einer Meinung mit den Omas gegen Rechts sein, man kann sie sogar kritisieren. Es kommt, wie bei allen Bewegungen, bloß darauf an, wie. Wenn jemand also sagt, die Omas seien eine Vereinigung, mit der er nichts anfangen könne, die er vielleicht sogar politisch nicht vertretbar findet, ist das etwas anderes als “Die dämlichen Mumien gehören in Windeln und haben wohl nichts Besseres zu tun, bevor sie abkratzen”.

Es ist eine eindrucksvolle Sammlung der männlichen geistigen Impotenz, die länderübergreifend agiert. Die Generalversammlung fand zwar in Österreich statt, viele accounts der Ergießer waren allerdings Deutsche. Frauenhass kennt einfach keine Grenzen.

Autor

  • Julya Rabinowich

    Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.

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