Die europäische Lieferkettenrichtlinie ist vom EU-Parlament am Donnerstag bis zur Unkenntlichkeit verwässert worden. Möglich gemacht hat das eine Allianz der Europäischen Volkspartei mit den Rechtsaußenfraktionen im EU-Parlament.
Das Lieferkettengesetz ist nach einer Abstimmung im EU-Parlament am Donnerstag beinahe wirkungslos geworden. Es war nicht das erste Mal, dass die Europäische Volkspartei (EVP) mit den beiden rechten Fraktionen im EU-Parlament ECR und EfP gestimmt hatte. Bereits bei den Solidaritätsbekundungen mit Venezuelas konservativem Oppositionsführer Edmundo González schmiedeten die Konservativen mit den Rechten eine Allianz. Damit liefern sich die Parteien der EVP – darunter die ÖVP – erneut den EU-feindlichen Parteien von Frankreich bis Ungarn aus.
Die gemeinsame Abstimmung am Donnerstag war aber eine Zäsur, schließlich galt die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDD) als ambitioniertes europäisches Projekt in Sachen wirtschaftlicher Verantwortung.
Die eigentlich bereits beschlossene Lieferkettenrichtlinie wird durch das sogenannte Omnibus-Paket in den entscheidenden Punkten abgeschwächt. Sie hätte für mehr soziale und ökologische Verantwortung bei großen international tätigen Unternehmen führen sollen. Abgeordnete der EVP befürchteten nach intensivem Austausch mit wirtschaftsnahen Lobbyisten in Brüssel einen Nachteil für die europäische Wettbewerbsfähigkeit.
Betroffene ohne Recht
Die Lieferkettenrichtlinie, auch Lieferkettengesetz genannt, wurde vor dem Hintergrund eines Fabrikseinsturzes in Bangladesch diskutiert, bei dem über 1.100 Menschen starben. Einer der Abnehmer der Fabrik war der deutsche Textilproduzent „KiK“.
Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Pakistan, wo eine Fabrikshalle abbrannte und 250 Menschen das Leben kostete. Auch dort ließ “KiK” als Hauptabnehmer produzieren. Eine Schadenersatzklage aus Pakistan gegen den Textildiskonter wurde in Deutschland abgeschmettert. Man verwies unter Berufung auf die ROM-II-Verordnung, dass in dem Fall pakistanisches Recht anzuwenden sei. Nach pakistanischem Recht war der Fall aber schon nach kurzer Zeit verjährt. Die ROM-II-Verordnung besagt, dass bei schwierig zu klärenden grenzüberschreitenden Fällen das Recht des Landes gilt, in dem der Schaden entsteht.
Das Lieferkettengesetz in seiner ursprünglichen Form hätte EU-weite Haftungsregeln beinhaltet, die Vorrang vor ROM-II gehabt hätten, erklärt Bettina Rosenberger vom Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) gegenüber ZackZack. „Das ist der Punkt der am meisten schmerzt, weil Betroffenen die Möglichkeit genommen wurde, Entschädigungen einklagen zu können“, so Rosenberger.
Nachteil für nachhaltige Unternehmen
Für mittlere und kleinere Unternehmen, die schon jetzt Wert auf die Überprüfung ihrer Lieferketten legen, ist die Abschwächung des Lieferkettengesetzes ein schwerer Schlag. „Das bedeutet auch einen Nachteil für viele österreichische Unternehmen, die bereits nachhaltig produzieren. Das Lieferkettengesetz würde auch große internationale Unternehmen dazu verpflichten, sich an dieselben Regeln halten.“
Die Rechtsparteien und Konservativen stellen sich damit auf die Seite großer Konzerne – auch solcher die ihren Sitz nicht in der EU haben. Denn von der ursprünglichen Version des Lieferkettengesetzes sollten nur Unternehmen mit 1000 MitarbeiterInnen und 450 Millionen Euro Jahresumsatz erfasst werden. Das wären in Österreich 159 Unternehmen gewesen. Die Schwelle soll durch den Parlamentsbeschluss der rechten Fraktionen auf Unternehmen mit mindestens 5000 MitarbeiterInnen und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro ausgedehnt werden.
Titelbild: ARMEND NIMANI / AFP / picturedesk.com, ZackZack
