Die Boulevardmedien hassen Andreas Babler, weil er ihnen Geld wegnehmen könnte. Der Fall zeigt, wie eng Medien und Politik in Österreich verflochten sind.
Die vereinigte Boulevardpresse Österreichs hat einen neuen Feind gefunden. Eigentlich ist er immer schon ihr Feind gewesen, denn er ist der dritte SPÖ-Vorsitzende in Folge, der von Kronen Zeitung, heute und Österreich konsequent niedergeschrieben wird: Andreas Babler.
Nun aber hat Babler das Blatt umgedreht. Im Sinne der Einsparungen, die diese Regierung nach dem »Geld scheißen« (Zitat Thomas Schmid) der Ära Kurz und der verheerenden Inflation, in die die beiden Kanzler Kurz und Nehammer das Land geführt haben, notwenigerweise machen muss, stellt Babler nun jenes Unding in Frage, von dem man seit jeher weiß, dass es ein Unding ist: die offene und (als Insertionskosten verdeckt betriebene) Mediensubvention in Österreich.
Bezahlte Meinungsmache
Wie auch bei den Agrarsubventionen, die zu siebzig Prozent bei Großkonzernen (und dabei Milliardären und Millionären) landen und diesen mit Steuerfreistellungen Oasen geschaffen haben, landen Österreichs Mediensubventionen zu einem Großteil bei den großen: den Boulevardmedien. Dort wird Desinformation betrieben. Dort wird nicht Meinungsbildung betrieben, sondern Meinung gemacht. Und das schon seit Jahrzehnten. In den Präsidentschaftswahlkämpfen kampagnisieren die Boulevardzeitungen immer für ihren Kandidaten – und das seit 1986, als die Kronen Zeitung monatelang für Kurt Waldheim wahlkämpfte und Kurt Steyrer niederschrieb und gegen ihn polemisierte, wo es nur ging. Im Wahlkampf Van der Bellen/Hofer war es nicht anders.
Und auch bei den Kanzlern redet die Boulevardpresse fleißig mit. Wie Sebastian Kurz da jahrelang mit Werbung statt Information zum Helden stilisiert wurde, das konnte niemandem entgehen. Es war peinlich. Und es ist noch peinlich. Jüngst wiederholten oe24 und die Kronen Zeitung einen Artikel aus dem Jahr 2023, der Kurz gegen die WKStA verteidigen soll und gab diesen als aktuelle Nachricht aus.
Ein demokratiepolitisches Problem
Zwei Kanzler ließen sich von der Boulevardpresse nichts gefallen: Wolfgang Schüssel und Christian Kern. Das Ergebnis: Sie verloren die Mehrheit bei den folgenden Wahlen. Dieses Faktum hat Österreichs Politiker noch ängstlicher gemacht. Sie wissen, dass die Schieflage ein demokratiepolitisches Problem ist. Doch in der Mehrheit haben sie nichts anderes getan, als immer weiter immer mehr Schutzgeld zu bezahlen. Die Ausgaben für die Medien sind in Österreich um ein Vielfaches höher als in vergleichbaren Nachbarstaaten, wie Alexandra Föderl-Schmid in der Süddeutschen Zeitung genau vorrechnet:
Nun rächt sich, dass Politikerinnen und Politiker den Boulevard über die Jahre eifrig gefüttert haben mit Inseraten. 418 Millionen Euro waren es 2024, bezahlt von den Steuerzahlern, die dafür an sie adressierte Informationen in Werbeanschaltungen bekommen haben. Wie hoch diese Summe ist, zeigt der Blick nach Deutschland: Hier waren es im Vorjahr – bei etwa zehnmal so vielen Einwohnern – vergleichsweise bescheidene 58 Millionen Euro; also rund 14 Prozent der Ausgaben im viel kleineren Österreich. Dazu kommt, dass es in Deutschland 323 Tageszeitungen gibt, in Österreich dagegen nur noch ein Dutzend. Sehr viel mehr Medien versuchen also, ein Stück vom sehr viel kleineren Inseratenkuchen zu bekommen.
In die Defensive geraten
Österreichs Presselandschaft ist am Ende. Man hat sie zu Tode gefördert. Man hat ihr über Jahrzehnte erlaubt, politische Propaganda zu betreiben und sich dafür bezahlen zu lassen. Nun ist diese Propaganda in die Defensive geraten, denn sie schlägt nun um sich, um laufende Ermittlungen und das freie Wirken der Justiz zu attackieren – weil sie möglicherweise selbst davon betroffen ist. Alexandra Föderl-Schmid weiter:
Beim größten Boulevardmedium des Landes, der Kronen Zeitung, wird nun offen verlangt, die Ermittlungen gegen das Ehepaar Christoph und Eva Dichand einzustellen, die Miteigentümer der Kronen Zeitung sowie der Gratiszeitung Heute. Es geht um den Verdacht strafrechtlich relevanter Vereinbarungen, die über Inserate abgewickelt wurden. […] Wenn es tatsächlich zu einem Prozess käme, dann säßen Sebastian Kurz, das Ehepaar Dichand und Österreich-Verleger Wolfgang Fellner auf der Anklagebank; anders ausgedrückt: Das gut geschmierte System der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Macht und Medien träfe sich vor Gericht. Das wollen wohl beide Seiten verhindern. Es ergibt schon Sinn, dass der Begriff Inseratenkorruption ein fester Teil des Sprachschatzes in Österreich ist. Denn die politmediale Symbiose ist dort nicht nur ein strukturelles Thema, sondern leider eine Geisteshaltung.
Auffällig aggressives Verhalten
Die österreichische Boulevardlandschaft ist ein Junkie, dem nun ein Herabsetzen der täglichen Suchtgiftdosis droht. Das hat seine Auswirkungen auf ihre Gereiztheit und ihr auffällig aggressives Verhalten. Doch Andreas Babler war schon vorher ihr Feind. Warum kann man nicht so genau sagen. Vermutlich mag man beim Boulevard ÖVP-Bürgermeister lieber als SPÖ-Bürgermeister. Oder hat etwas gegen Arbeiterkinder, die aufgestiegen sind, ohne ihre Herkunft zu leugnen und zu vergessen. Oder man hätte Hans-Peter Doskozil als Vorsitzenden der SPÖ bevorzugt. Oder man setzt eben jenen Kampf gegen die verhasste Partei fort, den Krone-Gründer Hans Dichand einst gegen die SPÖ begonnen hat, nachdem Franz Olah, einer der wichtigsten Geburtshelfer der Kronen Zeitung, aus der Partei ausgeschlossen worden war.
Wie auch immer Andreas Babler es aushält und ob er es politisch aushält: Er ist auf dem richtigen Weg. Und das weiß das ganze Land. So kann es nicht weitergehen, weder mit der Medienförderung noch mit einer Zeitungslandschaft, die offen Parteipolitik, endlose Ad-Hominem-Attacken gegen einzelne Politikerinnen und Politiker und Desinformation und Fake-News (vor allem beim Thema Migration und Zuwanderung) betreibt. Der Staat kann die Preise für ihre Werbeflächen nicht ewig künstlich hochhalten und damit den Wettbewerb verzerren.
Doch nichts ist in Österreich schwieriger, als das augenscheinliche Richtige zu tun. Die Politik, die sich auf die Seite der Oligarchen schlägt, hat dafür wohlwollende Berichterstattung zu erwarten. Das ist demokratiepolitisch gefährlich. Grund genug, dass man nun endlich mit möglichst breiter Mehrheit verhindert, dass die jährlichen Millionenschäden und der enorme Schaden für die Demokratie wenigstens eingedämmt wird.
Andreas Babler gebührt dafür Anerkennung. Er ist mutig und er tut das Richtige. Ob er es wirklich schafft, essentielle Änderungen zu erwirken, bleibt aber abzuwarten. Erst wenn er Erfolg hat, kann die Entflechtung von Politik und Medien, von der Alexandra Föderl-Schmid spricht und die so wichtig für den Fortbestand der Demokratie ist, vorgenommen werden. Sie wäre ja nicht nur im Boulevard dringend notwendig, sondern auch im ORF und vielen anderen Medien und Zeitungen bis zu den Lokalblättern.
Titelbild: Miriam Moné
