Die Öl- und Gaslobby verhindert in Europa eine fortschrittliche Energiepolitik. Sie beeinflusst nicht nur Politiker, sondern hat große Medienhäuser von ihr abhängig gemacht. Diese apportieren brav den geworfenen Stock.
Die deutsche Wirtschaftsministerin macht nun täglich mit ihren Forderungen auf sich aufmerksam. Ihre Stoßrichtung ist nicht überraschend. Anja Krüger dazu in der TAZ:
Nahezu jede Woche haut Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche eine neue Provokation raus. Die Christdemokratin will mehr fossiles Gas, grünen Wasserstoff würgt sie ab. Den Erzeugern von Wind- und Solarstrom möchte sie spezielle Kosten aufhalsen und noch etliches mehr unternehmen, um die Energiewende auszubremsen.
Die CDU zeigt damit nicht ihren Standpunkt, sondern nur, dass sie keinen Standpunkt hat, außer jenen: Wir müssen die Lobby, die uns finanziert, bedienen. Das ist weder überraschend noch ein Unterschied zu den Republikanern in den USA oder der ÖVP in Österreich. Solange dem Lobbyismus, also der legalisierten Korruption, kein Aus gemacht wird, wird der Kampf gegen die finanziell übermächtige Gas- und Öllobby nicht möglich sein – schon gar nicht mit konservativen und rechten Parteien an der Regierung.
Annika Joeres und Susanne Götze haben heuer im Mai ihr Buch „DIE MILLIARDEN LOBBY – Wer uns von Öl und Gas abhängig macht“ veröffentlicht. Es belegt auf deutliche und traurige Weise, wie Politik vom Lobbyismus fachlich entmachtet wird. Autorin Annika Joeres wurde dazu auch von Sereina Donatsch für die Frankfurter Rundschau interviewt. Joeres beschreibt das Machtverhältnis – oder eher Machtgefälle – zwischen Lobbyismus und Politik so:
Ein gutes Beispiel dafür ist die Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“. Vor der letzten Bundestagswahl inszenierte die Denkfabrik in alarmierendem Ton einen sogenannten „Wirtschaftswarntag“. Seine Forderungen lasen sich wie eine Synopsis von Merz’ Programm: weniger Bürokratie, weniger Steuern, ein flexibleres Arbeitsrecht. Was weniger bekannt ist: Friedrich Merz war einst selbst Unterstützer der Initiative. Er gehörte 2006 zu den Gründungsmitgliedern eines inzwischen aufgelösten Fördervereins.
Milliardenstarke Lobbys nehmen nicht nur direkten Einfluss auf die Politik. Im Fall der CDU bestimmen sie deren Politik. Die Partei ist machtlos, ihr Agieren determiniert. Joeres weiter:
Die Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ – deren Name übrigens absichtlich irreführend ist, weil er ganz nett und harmlos klingt – wird unter anderem von den Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie finanziert. Also etwa der Auto- und Stahlindustrie. Sie hat einen direkten Draht zur CDU, obwohl sie sich einseitig für die Interessen bestimmter Branchen einsetzt. Umweltverbände hingegen, die für eine intakte und lebenswerte Natur für alle kämpfen, haben ein deutlich kleineres Budget und weniger Zugänge zur Politik.
Und schließlich kommt Joeres zum Punkt: Nicht nur Parteien, sondern auch auflagenstarke Medien werden von Lobbys finanziert und dadurch zum Sprachrohr ihrer Interessen. Ein Umstand, der längst zu einem demokratiepolitischen Problem geworden ist. Die Autorin kann diese Verhältnisse offenlegen. Doch wie groß ist die Wirkung der Aufdeckung gegen die von Lobbys gelenkten Kampagnen eines Boulevardmediums? Annika Joeres in ihrer Antwort auf Fragen der Frankfurter Rundschau mit einem Beispiel:
Ja, die Kampagne gegen das Heizungsgesetz hat viele auf Jahre entmutigt, fortschrittliche Gesetze voranzutreiben. Die BILD-Zeitung setzte in rascher Reihenfolge das Heizungsgesetz auf mehr als 80 Titelseiten. „Habecks Heiz-Hammer würde uns 590 000 Euro kosten“, hieß es. Eine weitere Schlagzeile lautete „Wärmepumpen-Muffeln drohen Megastrafen“. Die Slogans „Heizungsverbot“, „Heizungshammer“ und „Verheizt nicht mein Zuhause“ schafften es schnell in die öffentliche Debatte.
Und die BILD-Zeitung spielt auch eine Rolle in der Argumentation des österreichischen Wirtschaftsministers Hattmannsdorfer, der sich – laut ORF.at – vergangene Woche gegen einen angeblichen „E-Auto-Zwang“ ausgesprochen hat:
„Ich lehne den E-Auto-Zwang entschieden ab, genauso wie die Flottenziele der EU, die sich als klarer Wettbewerbsnachteil für die europäischen Autobauer und als direkte Subventionierung der asiatischen Konkurrenz herausgestellt haben“, sagte der Minister heute in einer Stellungnahme. Zuvor hatte schon das deutsche Verkehrsministerium solche Überlegungen strikt abgelehnt. Am Wochenende hatte die deutsche Zeitung „Bild am Sonntag“ berichtet, die EU-Kommission plane ab dem Jahr 2030 ein Verbrennerverbot für Mietwagenanbieter und Firmenflotten.
Damit ist die Propagandafloskel der FPÖ vom „Zwang“ (wie in der „Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern“ oder den „Zwangsgebühren für den ORF“) nun endlich auch bei der ÖVP in Verwendung. Angesicht der von der Tageszeitung Der Standard kolportierten Summe von 3.591.618 Euro, die die Mediaprint heuer für Qualitätsjournalismus an Förderungen bekommt, sehe ich auch mein Steuergeld, das dafür verwendet wird, als Zwangsabgabe für Boulevardförderung.
Und so reagierte auch der österreichische Boulevard sofort erwartbar – oder sagen wir eher: Er entrichtete die bezahlte Berichterstattung. Die Kronen Zeitung titelt vergangene Woche: Verbrenner-Aus „geht im EU-Parlament nie durch“. Im Untertitel bezeichnete sie dieses Vorgehen als Widerstand.
Der Artikel in der Neuen Kronenzeitung von Ida Metzger, in dem es – liest man genau – eigentlich nur um mögliche Klimavorschläge für Dienstwagen der EU-Kommission geht, lässt keine progressiven Stimmen zu Wort kommen. Dafür aber dürfen sich ÖVP, FPÖ und die oben beschriebene Lobby darin wortreich ausbreiten:
Für die Blauen ist es wieder ein „Beispiel, wo die EU gegen den überwältigenden Mehrheitswillen der Menschen ein Ende des Verbrennermotors durchpeitschen will.“ Damit werde nur der „Niedergang der europäischen Automobilindustrie beschleunigt“, kritisiert FPÖ-EU-Abgeordneter Harald Vilimsky.
Wie heißt es so schön: Non olet.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com
