Während Gentechnik vom Landwirtschaftsministerium kritisch beäugt wird, unternimmt man gegen potenziell stark gesundheitsgefährdende Pestizide in Österreich nichts.
Gentechnisch veränderte Lebensmittel können nach dem Willen einiger EU-Vertreter bald in unseren konventionellen Lebensmitteln landen. Und das ohne Kennzeichnungspflicht. In Österreich, das traditionell gegen Kernkraft und Gentechnik eingestellt ist, sorgt das für Irritation.
Bei entscheidenderen Themen, wie gesundheitsschädigenden Pestiziden, herrscht hierzulande jedoch weiterhin Schulterzucken, wie Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) beweist.
Gentechnik: wenig Beteiligung aus Österreich
„Unterhändler der 27 EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich in Brüssel darauf, entsprechende Züchtungen in vielen Fällen von bisher strengen EU-Gentechnikregeln auszunehmen, wie beide Seiten in der Nacht auf Donnerstag mitteilten“, lautete eine Agenturmeldung vom Donnerstag, die zahlreiche Medien übernahmen.
Das ist etwas missverständlich. Wer war zuletzt genau Teil der Verhandlungen? Für das EU-Parlament war die Chefverhandlerin eine schwedische Abgeordnete der europäischen Volkspartei (EPP), Jessica Pölfjärd. Alle anderen 5 Fraktionen konnten ebenfalls einen sogenannten „Rapporteur“ zu den Verhandlungen entsenden. Aus Österreich war niemand dabei. Aufseiten der Mitgliedstaaten verhandelte für den Rat zuletzt die derzeitige Ratspräsidentschaft – also Vertreter Dänemarks. Die Kommission war durch die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingebunden. Ihr steht die zypriotische Kommissärin Stella Kyriakides vor, ebenfalls von der EPP.
Während andere Ministerien aus Europa Lobbyarbeit für oder gegen die neue Regelung betrieben, gab es aus Österreich genau zwei registrierte Versuche der Einwirkung. Eine von BIO Austria und eine von GLOBAL 2000. Das Österreichische Landwirtschaftsministerium hielt kein öffentlich registriertes Treffen mit Entscheidungsträgern auf EU-Ebene ab. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) positionierte sich nach Bekanntwerden der Neuregelung trotzdem als Gegner der Gentechnik. Er hätte bei Unterredungen mit Amtskollegen in der Vergangenheit immer die kritische Haltung Österreichs betont, “weshalb es von uns keine Zustimmung geben wird.”
Ein offenes Ohr und den entscheidenden Einfluss auf die Gesetzgebung erwarteten sich Bayer AG, Novozymes AG, Euroseeds und Co. von Abgeordneten der EPP und NEOS-Fraktion Renew. Am intensivsten war die Lobbyarbeit der Biotech-Unternehmen und deren Interessensvertretungen bei Jessica Pölfjard (EPP) und den drei Renew-Abgeordneten Valérie Hayer, Asger Christensen und Jan Huitema, wie eine Auswertung der Transparenz-Register von ZackZack ergab.
Die Neuregelung muss noch von den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Es ist jedoch keine Einstimmigkeit notwendig, weswegen davon auszugehen ist, dass Österreich überstimmt wird.
Wegsehen bei Pestiziden
In zwei Wochen hätte Totschnig die Chance, bei einem entscheidenden Thema im Sinne der Konsumenten zu intervenieren. Geht es nach Plänen einiger federführender EU-Staaten, sollen potenziell gesundheitsschädigende Pestizide in Zukunft für immer zugelassen werden, wie ein Leak aus Brüssel zeigte. Bisher mussten sie in regelmäßigen Abständen untersucht werden, um eine schädliche Wirkung auf die Konsumenten ausschließen zu können. Die europäische Volkspartei will das mit ihren Partnern im EU-Parlament nun ändern.
Helmut Burtscher-Schaden von der Umweltorganisation GLOBAL 2000 warnt schon länger vor den gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Pestiziden in der Landwirtschaft. So wurde die Ewigkeitschemikalie TFA – sie ist nicht natürlich abbaubar – unter anderem in österreichischem Trinkwasser und in sämtlichen Teigwaren nachgewiesen. TFA steht in starkem Verdacht, reproduktionstoxisch zu wirken. Bisher wurden die verursachenden PFAS-Pestizide von der EU allerdings als nicht bedrohlich eingestuft. Eine Neubewertung von tausenden Ewigkeitschemikalien wird derzeit untersucht.
In Österreich äußerte sich das Landwirtschaftsministerium auf bisherige ZackZack-Anfragen zögerlich zur Thematik. Burtscher-Schaden zeigte sich im Gespräch mit ZackZack erfreut, dass “Österreich nicht unter den Ländern war, die sichtbar eine Verwässerung der Pestizidverordnung gefordert hatten.” Nun hofft er, dass “das Landwirtschaftsministerium den Bestrebungen entgegentritt und Mindeststandards verteidigt, die den Schutz der Gesundheit von Landwirten und Konsumentinnen sowie der Umwelt dienen.”
Man wolle die Entwicklungen auf EU-Ebene unterstützen, hieß es im Herbst 2024 und im Frühling 2025 aus dem Landwirtschaftsministerium. Jetzt scheinen einflussreiche Kräfte in der EU hingegen auch die Pestizidverordnung aufweichen zu wollen. Totschnig äußerte sich öffentlich bisher nicht dazu. Klar ist: Der Einsatz problematischer Pestizide in der österreichischen Landwirtschaft steigt ständig an. Alleine die Verwendung von PFAS-Pestiziden hätte sich seit 2010 in Österreich verdreifacht, ergab eine Anfragebeantwortung aus dem Landwirtschaftsministerium an die Grünen.
Titelbild: Canva, By U.S. Department of Agriculture – 20220715-OSEC-TEW-0746_1, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=120634273
Von TK (UIBK) – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=168377175, pixabay
