Samstag, Dezember 6, 2025

Was nicht auf den Werbeflächen steht

Journalismus kann nur überleben, wenn er mutig ist und echte Qualität bietet. Nur wahre Aufklärung kann sich gegen Fake-News auf TikTok und Twitter langfristig durchsetzen.

Der jüngste Weckruf des Presseclub Concordia und der GPA die Kündigungs- und Personalabbauwelle im österreichischen Journalismus betreffend hat zu wenige Wellen geschlagen. Leider. Es ist eine Tragödie demokratischen Kontrollverlusts, die mehrere Ursachen hat und nicht einfach mit technischem Fortschritt und der Ersetzbarkeit der menschlichen Arbeit durch Software zu erklären ist.

300 Arbeitsplätze würden im Journalismus alleine dieses Jahr verloren gehen, so Ute Groß, Vorsitzende der Journalist:innengewerkschaft in der GPA. Colette Schmidt, Vorsitzende des Betriebsrats der Tageszeitung Der Standard und stellvertretende Vorsitzende der Journalist:innengewerkschaft in der GPA, bringt auch den qualitativen und demokratischen Aspekt dieser Entwicklung zur Sprache: »Wenn der Journalismus stirbt, verschwindet mit ihm auch eine Kontrollinstanz, die den Mächtigen und der Politik in Vertretung der Bevölkerung unbequeme Fragen stellen kann. Es geht also nicht nur um den Jobverlust jener, die in dieser Branche arbeiten, sondern auch um die Aufgabe, die sie in einer Demokratie für alle erfüllen.«

Österreichische Gefallsucht

Qualitative und quantitative Verschlechterung bedingen einander. Wenn wenige Journalistinnen und Journalisten viel Output bringen müssen und zur Analyse und Aufarbeitung von Information keine Zeit mehr haben, erleben wir das, was wir mit den sogenannten Zuwanderungsstatistiken des Bundesministeriums für Inneres wieder und wieder erleben: Uns werden Daten, die in manipulativer Absicht selektiert wurden, als seriös verkauft. Meldungen von Pressestellen der Ministerien oder Parteien fließen direkt in die Berichterstattung. Leider auch in Qualitätsmedien. Das ist eine Auswirkung von Stellenabbau auf die Qualität.

Doch befördert auch die sinkende Qualität den Einsparungsgedanken. Seit dem Jahr 2017 haben Sebastian Kurz und sein Mastermind Gerald Fleischmann eine neue Ära begonnen, was direkten politischen Druck auf Medien aus einer Parteizentrale und aus Regierungsstellen betrifft. Es ist eine Art von Politik, die keine kritische Berichterstattung erwartet und Widerspruch nicht als Belebung der Demokratie, sondern als Anfeindung auffasst. Eine sehr österreichische Haltung, die Monarchie und Feudalismus überlebt hat und die die beiden Demokratien in Österreich als nichts anderes als die Folgen eines verlorenen Kriegs betrachtet.

Nach dieser Haltung gilt es, den Herrschenden zu gefallen. Sie zu kritisieren bedeutet, ein Stänkerer und Quertreiber zu sein. So wie verschiedene Stimmen im Parlament, wie es sie im lebendigen Parlamentarismus geben muss, auf »Streit« reduziert werden, wird Kritik zur »Quertreiberei«.

Ohne Scham

Symptomatisch ist daher, dass seit der Machtübernahme von Sebastian Kurz im Jahr 2017 Journalistinnen und Journalisten aufgetaucht sind, die ihre Parteilichkeit und Unterwürfigkeit Politikern gegenüber nicht etwa schamhaft verbergen, sondern stolz öffentlich zur Schau tragen: Sie nehmen persönliche Einladungen von Politikern an, zeigen sich mit ihnen auf Selfies, chatten mit ihnen, prahlen damit, mit ihnen per Du zu sein, schreiben Gefälligkeitsartikel und treten bei Parteiveranstaltungen auf. Man muss nicht hinzufügen, dass das niemals professioneller Journalismus sein kann. Und doch muss man in Österreich darauf hinweisen. Immer wieder wurde von wenigen Schreibenden auf diese Schieflage aufmerksam gemacht. Die Warnungen wurden weggewischt. Denn die Gefallsucht ist in Österreich offensichtlich größer als die Scham.

Macht man Journalismus auf diese Weise, so ist es natürlich sehr einfach, Stellen abzubauen. Im Grunde könnte man das gesamte Personal entlassen und die Wiedergabe der Meldungen aus der Parteizentrale einer Druckerei und einem automatischen Redaktionssystem überlassen. Man hat dann eine Werbebroschüre, die niemand braucht. Wenn sie gedruckt im Postfach liegt, wandert sie direkt in den Altpapiercontainer. Denn die Politikerhuldigungen und Umformulierungen der Pressemeldungen aus den Parteizentralen, die uns als sogenannte Artikel verkauft werden, sind nicht schlechter Journalismus, sondern gar kein Journalismus.

Pressekritik

Die österreichischen Medien haben heute allesamt konservative und rechtskonservative Eigentümer. Die wenigen Stellen, an denen – was dringend notwendig wäre – auch Pressekritik und Analysen der Berichterstattung stattfinden wie Dossier und Kobuk, müssen sich mit viel Engagement und oft dem Sammeln von Spenden aufrechterhalten und erreichen kein großes Publikum.

Sie sind aber notwenig, dringend notwendig, denn angesichts des Weckrufs der Journalistinnen und Journalisten darf man die zweite Seite der Medaille nicht vergessen: Auch Journalismus soll und muss kontrolliert und kritisiert werden können. Auch das ist aber in Österreich ein wunder Punkt; eine Art die Kritik, die den Kritisierenden sofort zum Stänkerer, Quertreiber und Tunichtgut macht.

Wenn ich lese, wie seit Jahren die letzten drei Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in den Medien gebasht werden, während man die ÖVP-Obmänner (Frauen gibt es ja nicht) mit Samthandschuhen anfasst, wie Qualitätsmedien sie behandeln, wie der Boulevard sie behandelt, dann bin ich froh, wenn konservative Kommentatoren wie Paul Lendvai endlich aussprechen, was ohnehin jeder sehen kann.

Die False Balance

Leider ist neben der Gefallsucht in Österreich aber auch eine ungeheure Wehleidigkeit festzustellen – im Journalismus und in der Politik. Ich habe alle E-Mails gelesen, aber auch gleich wieder gelöscht, die ich aus höchsten Parteikreisen und aus Redaktionen und sogar von Chef-Redakteuren bekommen habe, wenn ich mich einmal unter Nennung einer bestimmten Partei, Zeitung oder Person kritisch geäußert habe. Immerhin hat mir jedes dieser E-Mails eines gezeigt: dass ZackZack gelesen wird.

Warum aber wird es gelesen? Aus dem einfachen Grund, weil die False Balance der österreichischen Medien nach rechts unerträglich geworden ist und sie nicht nur progressiv und liberal Gesinnten, sondern auch dem konservativen und bürgerlichen Publikum auf die Nerven geht. Die wollen nämlich etwas Ordentliches lesen und erkennen Propaganda und parteipolitische Verzerrung sofort. Und sie ärgern sich zurecht.

Kurzvideos

Am ganzen rechten Ende des politischen Spektrums in Österreich, dort also, wo ein Drittel der österreichischen Wählerschaft seine »Heimat« sieht, gibt es ohnehin keinen Journalismus mehr. Dort wurde Journalismus längst durch Kurzvideos ersetzt, die von Propagandastellen der Parteien gemacht werden. Ein Ersatz für »Information«, der unser erster Feind sein sollte.

Informationsfläche oder Werbefläche

Wir können eine Milliarde zur Förderung von Medienkompetenz ausgeben; wir werden dieses Publikum nicht erreichen. Mit ihren Kurzvideos werden diese Menschen allein gelassen. Alles, was man auf ihren Handys findet, sind die selbst zusammengetragenen Beweise aus zweifelhaften Quellen, dass sie recht haben, dass ihre Meinung die richtige ist.

Wenn Redaktionen der Qualitätsmedien heute Artikel danach beurteilen, wieviele Klicks sie bekommen, dann begeben sie sich aber genau in dieses Fahrwasser. Sie entmachten die Redakteurinnen und Redakteure bei der inhaltlichen Auswahl durch quantitative Kritierien. Ein grundlegender Fehler. Außer man ist nur darum bemüht, die eigene Webseite als Werbefläche lukrativer zu machen. Dann braucht man gar keine Redaktion mehr. Die informationsfreie Fläche kann als Werbefläche genutzt werden.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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