Samstag, Dezember 6, 2025

SPÖ in der Falle: Kickls roter Teppich

Die SPÖ sitzt in der ÖVP-Falle. Der Kampf gegen die Inflation bietet ihr eine Chance, erfolgreich auszubrechen.

Also, wir haben wieder Rekordinflation. Überall sonst in der EU bekämpfen Regierungen die Preistreiberei von Lebensmitteln bis Energiepreisen. Nur bei uns ist alles anders. Der Bundeskanzler lässt sich feiern, weil er garantiert, dass es keine Erbschaftssteuer gibt. Die Reichsten werden geschont, sonst niemand.

Bei ÖVP und NEOS ist das Programm. Sie schützen statt Menschen ihren „Markt“. Der ist in Österreich nichts anderes als eine Veranstaltung, in der die einen immer kassieren und die anderen immer zahlen. Beispiel gefällig? Raiffeisen, Billa, Unicredit, Pierer, EADS und Leonardo, Spar, Sigi Wolf und bis vor kurzem noch SIGNA.

Der rote Kogler

Aber warum macht die SPÖ mit? Warum läuft sie überall mit und hält nirgends dagegen? Wenn man dort nachfragt, kommt immer dieselbe Antwort: Wir können nur so verhindern, dass die FPÖ regiert. Das ist nicht besonders neu. Immer, wenn die Grünen erklären mussten, warum sie als Beiwagerl der ÖVP überall hin mitrollten, sah Werner Kogler traurig in die Kamera: „Weil wir nur so die FPÖ verhindern“. Andreas Babler ist jetzt wohl der rote Kogler.

Dabei übersieht die SPÖ wie vor ihr die Grünen das Wichtigste: Seit Sebastian Kurz regiert die ÖVP freiheitlich. Reichenschutz statt Klimaschutz, gegen ausländische Arbeitnehmer statt gegen ausländische Steueroasen, mehr Kampfflugzeuge statt mehr Pflegepersonal, Aufrüstung statt Ausbildung – das war in der Zeit vor Sebastian Kurz FPÖ pur. Erst Kurz hat aus der ÖVP eine freiheitliche Staatspartei gemacht, die mit der freiheitlichen Straßenpartei nicht mehr um die bessere Politik, sondern nur noch um das größere Stück der Macht kämpft.

Mühlsteinschwimmen

Nach den Grünen erlebt jetzt die SPÖ, wie das ist, wenn man mit einem schwarzen Mühlstein am Hals zu Schwimmen versucht. Andreas Babler hat gezeigt, dass er durchaus seinen Schwimmer steht. Aber wie Werner Kogler verfügt er nicht über die übermenschlichen Kräfte, mit denen man mit dem Mühlstein um den Hals gegen den türkis-pinken Strom schwimmen kann.

Das ist verkürzt? Ich empfehle, einmal mit Freiheitlichen darüber zu reden. Zu Kurz-Zeiten hat man sich in der FPÖ noch grün und blau geärgert, weil der türkise Kanzler ein FPÖ-Thema nach dem anderen kaperte. Inzwischen lehnt man sich zurück, weil man weiß, dass die Regierungen von Nehammer bis Stocker so den täglichen Erfolgsnachweis für die FPÖ liefern. Warum soll Kickl arbeiten, wenn Stocker, Meinl-Reisinger und Babler das für ihn tun?

Doppelt mächtig und machtlos

Damit ist Österreich in der seltsamen Lage, dass die Partei der extremen Rechten sowohl in Opposition als auch an der Macht ist. Das Gegenstück zu ihr bietet die SPÖ: Sie sitzt in der Regierung und ist dort machtlos wie selten eine Partei vor ihr.

Von den USA bis Tel Aviv und von Budapest bis Wien scheint eines gleich: Es gibt zwei Voraussetzungen für eine geglückte Machtübernahme durch extrem rechte Parteien. Die erste ist eine Unzufriedenheit, die gerade in Wut umschlägt. Die zweite sind schwache Führungsparteien der Linken. Von den Demokraten in den USA bis zu den Sozialdemokraten in Österreich sind sie heute die roten Teppiche, über die Trump, Meloni, Le Pen, Netanjahu, Orbán, Weidel und Kickl an die Macht marschieren.

Muss das so sein? Müssen rote Parteien rote Teppiche sein? Oder könnten sie auch anders? Diese Frage hat sich auch den Grünen gestellt. Von 2019 bis 2024 hatten sie immer wieder die Chance, einen Spieß umzudrehen. Immer, wenn die ÖVP ins Straucheln kam, hätten die Grünen Bedingungen für die Stützung der angeschlagenen Kanzlerpartei stellen können. Sie haben es kein einziges Mal getan. Das – und nicht die Beteiligung an der Regierung – war ihr großes Versagen.

Mehrheit gegen Inflation

Jetzt sitzt die SPÖ in der Falle, in der die Grünen ein halbes Jahrzehnt ausgesessen haben. Für die SPÖ ist es nicht leichter, weil sie mit den NEOS eine zweite, jüngere ÖVP gegen sich haben. Aber von Lebensmittelpreisen bis Mieten und von Waffenverboten bis Reichensteuern haben sie einen Verbündeten: die große Mehrheit der Menschen in Österreich.

Im Grunde wäre es ganz einfach. Der Spieß, der jetzt umzudrehen ist, heißt „Bekämpfung der Inflation“. Wenn Lebensmittelketten, Banken, Energiekonzerne und Immobilienspekulanten ihre Marktmacht missbrauchen, helfen nur Gesetze und Maßnahmen gegen die Preistreiber. Wenn die ÖVP Nein sagt und galoppierende Preise weiter gegen verarmende Menschen verteidigt, kann sich die SPÖ an Grüne und FPÖ wenden.

Koalitionsbruch

Das, so werden ein paar zitternde Sozis rufen, sei ja Koalitionsbruch. Aber das ist Ansichtssache.

In den letzten zwanzig Jahren hat die ÖVP ihren Koalitionspartnern schon fast gewohnheitsmäßig die FPÖ-Rute ins Fenster gestellt – außer, sie war gerade mit der FPÖ in einer Regierung. Doch die SPÖ traut sich noch immer nicht, über den kleinsten blauen Schatten zu springen.

Bei den Reichensteuern hat sich die SPÖ Handfesseln anlegen lassen. Aber nirgends im Regierungsübereinkommen steht, dass sich die Regierungsparteien verpflichten, der Inflation freie Bahn zu lassen. Andreas Babler müsste ja nur einmal Gewessler und Kickl fragen, ob sie ihn unterstützen würden. Alle wüssten dann, dass es auch im Nationalrat eine Mehrheit gegen Inflation gibt.

Mehr ist als erster Schritt nicht nötig.

Ich glaube, dass das viele in der SPÖ wissen, aber sich einfach nicht trauen, vielleicht auch, weil sie die wichtigste Regel der Politik nicht kennen: Wer jedes Risiko meidet, geht das größte ein: dass er alles verliert.

Kommentar ergänzt um 10.30 Uhr.

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