In New York könnte ein politisches Erdbeben eine Wende in der US-Politik einleiten. Der junge Kandidat Zohran Mamdani überraschte bei den Vorwahlen der Demokraten mit seinem linken Kurs.
Am Montag, 8. September, wird der US-amerikanische Politier Bernie Sanders 84 Jahre alt. Doch er wird nicht müde für ein anderes Amerika zu kämpfen – ein Amerika mit mehr Gleichheit, mehr sozialer Sicherheit und gerechterer Verteilung. Auf seiner Fight-Oligarchy-Tour macht er Halt in New York City. Denn in der Millionenmetropole tut sich etwas.
Der Shooting-Star der Demokraten Zohran Mamdani, der am 18. Oktober 34 Jahre alt wird und damit fünfzig Jahre jünger ist als Sanders, will es am 4. November schaffen, zum Bürgermeister von New York gewählt zu werden. Mamdanis Eltern sind bekannt. Seit Vater ist Professor an der Columbia University. Seine Mutter, die Film-Regisseurin Mira Nair, ist eine Frau von Weltruhm. Ihre Filme haben das indische Kino mit sozialem Realismus angereichert. Bereits Nairs Debut Salaam Bombay! (1988) wurde für einen Oscar nominiert. Der damals völlig unbekannte Schauspieler Irfan Khan wurde durch diesen Film zum Star. Und auch der jüngste Auftritt Mamdanis mit Sanders scheint wie der eines Stars gewesen zu sein, wie Boris Herrmann für die Süddeutsche Zeitung berichtet:
Frauen kreischen, Männer kämpfen mit den Tränen, niemand sitzt mehr auf seinen Sitzen, als die beiden Politiker sich an die Hand nehmen und gemeinsam die Arme nach oben reißen. „New York City is not for sale“, so lautet die Parole Mamdanis. Sanders versetzt die Menge vollends in Ekstase, als er ruft: „Sie erzählen euch, ihr seid machtlos. Aber wir sind heute Nacht hier, um ihnen zu sagen: Fahrt zur Hölle!“
Die Überraschung bei den Vorwahlen
Es ist klar: Das oligarchische Amerika regiert dank seiner Wahlsiege in Dörfern und Kleinstädten. Die Großstädte aber müssen sich gegen Trumps Angriffe zur Wehr setzen, sonst werden auch sie vom Abstieg der USA mitgerissen. Einer könnte New York City retten; ein Mann, den noch vor Monaten niemand kannte. Boris Herrmann weiter:
Nicht leugnen lässt sich, dass hier Erstaunliches vor sich geht. Noch zu Beginn dieses Jahres wussten wohl die wenigsten New Yorker, wer Zohran Mamdani ist. Er war ein Hinterbänkler im Repräsentantenhaus des Bundesstaats New York in Albany – und dann hat er bei den demokratischen Vorwahlen im Juni nicht nur den haushohen Favoriten Andrew Cuomo deklassiert, sondern auch in einem Feld mit elf Kandidaten die absolute Mehrheit gewonnen. Wie er das geschafft hat? Wahrscheinlich mit einem Weltrekord, sagt Bernie Sanders: „Über 50 000 freiwillige Helfer bei einer Bürgermeisterkampagne.“
Freilich haben die Versuche, Mamdani als gefährlichen Linken, Kommunisten, Anarchisten, und Extremisten zu brandmarken, längst begonnen. Und sie kommen zum Teil auch aus der eigenen Partei wie Eliza Shapiro in der New York Times berichtet:
Der ehemalige Gouverneur Andrew M. Cuomo, der nach seiner Niederlage gegen Mamdani in der Vorwahl als Unabhängiger kandidiert, sagte letzte Woche, Mamdanis Ansichten seien „gefährlich, buchstäblich gefährlich“. Bürgermeister Eric Adams, der ebenfalls als Unabhängiger kandidiert, nachdem er sich aus der Vorwahl der Demokraten herausgehalten hatte, sagte, die Wähler sollten sich vor Mamdanis „Extremismus“ in Acht nehmen.
Gegen die US-Regierung
Viele haben – wie die Autorin des oben zitierten Artikels – versucht, an Mamdanis Image zu kratzen und sein Umdenken in manchen seiner früheren Positionen kritisiert. Effektiv scheint er aber heute breiter aufgestellt zu sein, denn zuvor; denn Zuspruch für ihn kommt nicht nur aus der Arbeiterklasse, wie Eliza Shapiro weiter ausführt:
Während Herr Mamdani erhebliche Unterstützung von muslimischen und südasiatischen Wählern aus der Arbeiter- und Mittelschicht in der Bronx und Queens erhielt, gewann er auch in gentrifizierten Stadtvierteln in der ganzen Stadt entscheidend. Die Mamdani-Kampagne betont, sie habe kein Interesse daran, sich in kontroversen Themen zu verzetteln, die wenig mit ihrem politischen Kernprogramm zu tun haben, nämlich der Einführung einer kostenlosen universellen Kinderbetreuung, der Einführung kostenloser Busse und dem Einfrieren der Mieten für fast eine Million stabilisierte Wohnungen.
Auf die Angriffe der US-Regierung, denen New York City unter Mamdani wohl ausgesetzt wäre, ist Mamdani nach den Ereignissen in Los Angeles und Washington vorbereitet. Maya Yang berichtet für den Guardian aus New York:
Mit wachsender Besorgnis über Trumps Drohung, Nationalgardisten nach New York City zu entsenden, antwortete Mamdani auf die Frage, was er tun würde, wenn es zu einer solchen Entsendung käme: „Zunächst einmal müssen wir uns auf die Unvermeidbarkeit dieser Entsendung vorbereiten. Wir können uns nicht einreden, dass Donald Trump etwas nicht tun wird, nur weil es illegal ist.”
Eine Botschaft für die Mittelschicht
Sanders und Mamdani haben eine Botschaft; eine Botschaft, die in New York City auf fruchtbaren Boden fällt. Es ist der Kampf gegen die autoritäre Verelendung der USA, die die tragende Säule der Demokratie, die Mittelschicht, schwer unter Druck setzt. Sie muss sich wehren. Maya Yang schließt ihren Artikel mit folgenden Sätzen:
Mamdani betonte die Notwendigkeit, sich vor den Wahlen im November zu mobilisieren, und erklärte, er wolle die Rekordzahl von 52.000 Freiwilligen, die sich während der Vorwahlen für seine Kampagne engagiert hatten, bis zum Herbst auf 90.000 Freiwillige aufstocken. Als Mamdani und Sanders sich bereit machten, die Bühne zu verlassen, wandte sich Sanders ein letztes Mal an die Menge, verwies auf die amerikanische Oligarchie und sagte: „Sie haben Reichtum. Sie haben die Macht. Wissen Sie, was wir haben? Wir haben das Volk.“
Titelbild: BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com, https://pixabay.com/photos/statue-of-liberty-icon-political-4684437/
