Samstag, Dezember 6, 2025

Vor dem Aufprall

In Zeitlupe steuert die Demokratie in den USA unter Trump auf einen Totalschaden zu. Denn bei den Amerikanern und Amerikanerinnen scheint von der Verfolgung von Minderheiten bis zur Festnahme unliebsamer Touristen mittlerweile alles zu gehen.   

Es gibt Momente im Leben, da bereut man es zutiefst, recht behalten zu haben. Nichts würde man sich sehnlicher wünschen als die Tatsache, dass man sich geirrt hätte, irrationalen Ängsten auf den Leim gegangen wäre, sich in Risikoabwägung verschätzt hätte, schlicht fehlinterpretiert hätte. Ich würde es lieben, wenn ich sagen könnte: Leute, ich habe mich getäuscht. Amerikas Demokratie ist resilient genug, einem Donald Trump mit seiner Techbro-Bande zu widerstehen. Amerika weiß, was Freiheit und free speech bedeuten. Immerhin machen sie es in jedem verdammten Wahlkampf zum Kernthema. Jedenfalls die Republikaner. Sie meinen allerdings bloß Waffennarrenfreiheit und hate speech. Damit haben sie Wahlen gewonnen, und damit errichten sie jetzt ein Regime.

Ich habe aber auch gedacht: Wenn die Zeichen zu deutlich werden, wenn bewaffnete maskierte Horden auf den Straßen patrouillieren, die wahllos Menschen verschleppen, wenn offen über Errichtung von Orten bejubelt wird, die in ihrer Intention und Aufbau Konzentrationslagern gleichen, spätestens dann werden die Amerikanerinnen und Amerikaner sagen: Nicht mit uns. 

Ich habe mich erneut getäuscht.  Alles geht rein. Alles. Verhaftung von Touristen und Touristinnen. Verfolgung der Minderheiten. Durchsuchung privater Nachrichten, die nichts mit Terror zu tun haben. Nur mit politischer Haltung. Nur mit der Abneigung gegen den Widerling in chief, der zombiesk durch seine Amtszeit torkelt und eine Spur der Zerstörung hinter sich legt. Noch ist dieses Regime nicht so schlagkräftig, dass man es voll ausgebildet nennen könnte. Es ist diese Zeitspanne, bevor ein Unfall passiert, bevor Metall auf Metall kreischt, es ist diese Zeitlupe, in der man die gleich Verunfallten aufeinander zurasen und schlittern sieht, bevor der Aufschlag erfolgt, ein Moment der Zeitlosigkeit. Amerika schlittert direkt auf die Leitplanke zu und alles schweigt.

So, wie sich die Dinge entwickeln, wird es die nächsten Wahlen in jener Art, die die Amerikaner und Amerikanerinnen gewohnt sind, nicht mehr geben.

Ich wage eine neue Einschätzung, und erneut hoffe ich, dass ich mich irren möge, dass man zurecht über mich schmunzeln kann und mir Polithysterie diagnostizieren möchte. So, wie sich die Dinge entwickeln, wird es die nächsten Wahlen in jener Art, die die Amerikaner und Amerikanerinnen gewohnt sind, nicht mehr geben. Das hat der orange Möchtegerndiktator noch bei den letzten Wahlen offenherzig verkündet. Man wählte ihn trotzdem, und Musk sorgte kräftig für den Rest.


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Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Julya Rabinowich

    Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.

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