Über zweitausend bewaffnete Nationalgardisten werden in Washington, D.C., eingesetzt „um das Verbrechen zu bekämpfen“ – zumindest jene Verbrechen, die außerhalb des Weißen Hauses begangen werden. Die Aktion wird fortgesetzt, aber nur in demokratisch dominierten Städten.
In der Faschismustheorie von Emilio Gentile gibt es zwei Punkte, die die Gewalt des faschistischen Staates nach innen festhalten: die bewaffnete Verteidigung des Regimes und einen kontrollierenden und unterdrückenden Polizeiapparat. So geschieht es in den USA gerade. Unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung postiert Präsident Trump die bewaffnete Nationalgarde in Washington, D. C. Hugo Lowell und Robert Mackey im Guardian:
Donald Trump teilte Strafverfolgungsbeamten während seines Besuchs in einer Einrichtung der US-Parkpolizei am Donnerstag mit, dass seine Regierung neues Gras für Parks in Washington DC kaufen werde, damit diese seinen Golfplätzen ähneln – eine Veranstaltung, die angeblich dazu diente, seine harte Vorgehensweise gegen Kriminalität in der Stadt zu propagieren.
So wie der Grund für diesen Schritt fingiert ist, so sind auch seine angeblich positiven Auswirkungen erlogen und reine Propaganda:
Flankiert von der Ministerin für innere Sicherheit, Kristi Noem, Generalstaatsanwältin Pam Bondi und Innenminister Doug Bergum erklärte Trump die Übernahme des Metropolitan Police Department für einen Erfolg, da die Menschen wieder auswärts essen gingen, obwohl Restaurants einen Rückgang der Reservierungen meldeten.
Ein Angriff und ein Mann mit einem Messer
Seit zwei Wochen sind mehr als 2.200 Soldaten der Nationalgarde in Washington stationiert, darunter etwa 900 Angehörige aus Washington D.C. und weitere aus Louisiana, Mississippi, Ohio, South Carolina, Tennessee und West Virginia. Sie sehen also den Menschen aus Washington beim entspannten Ausgehen und Essen zu.
Die Erfolge dieser martialischen „Kriminalitätsbekämpfung“ sehen folgendermaßen aus, wie Daniel Wu in der Washington Post schreibt:
Die Pressestelle der gemeinsamen Einsatzgruppe verwies am Donnerstag auf zwei Beispiele für die Nützlichkeit der Nationalgarde und hob einen Fall hervor, in dem Mitglieder der Nationalgarde einem Beamten der US-Parkpolizei zu Hilfe kamen, der angeblich auf der National Mall angegriffen worden war, sowie einen weiteren Fall, in dem sie die Polizei über einen Mann informierten, der in der Metrostation Waterfront mit einem Messer herumfuchtelte.
Alles also Eskalationen, denen die Polizei nicht gewachsen zu sein scheint. Über zweitausend Nationalgardisten nehmen einen Mann fest, der in der U-Bahn-Station ein Messer auspackt! Auf die Verbrecher in Washington kommen schwere Zeiten zu; zumindest auf die, die außerhalb des Weißen Hauses Verbrechen begehen. Präsident Trump ist begeistert und kündigt weitere Einsätze in anderen Städten an.
Erfundene Kriminalitätswellen
Die Auswahl dieser Städte folgt einem klaren Muster: Sie werden von den Demokraten regiert. Und der Vorwand der steigenden Kriminalitätsrate widerspricht den dortigen Statistiken, wie die APA berichtet:
Trumps Darstellung einer Kriminalitätswelle in den von Demokraten regierten Städten steht im Widerspruch zu offiziellen Daten. Obwohl der Republikaner die Hauptstadt als von Verbrechen erfasst darstellt, zeigen die Zahlen einen Rückgang. Der Bürgermeister von Chicago, Brandon Johnson, verwies darauf, dass die Mordrate in seiner Stadt im vergangenen Jahr um mehr als 30 Prozent und die Zahl der Schießereien um fast 40 Prozent gesunken sei. Auch in Baltimore ist die Kriminalität rückläufig.
In Chicago und Baltimore hat Trump weitaus weniger Macht als im Bundesdistrikt Washington, wo er als Präsident größeren Einfluss ausübt. Als rechtliche Grundlage für einen Einsatz könnte er sich jedoch auf ein Bundesgesetz berufen. Diese als Section 12406 bekannte Bestimmung erlaubt dem Präsidenten den Einsatz der Nationalgarde, um eine Invasion abzuwehren, einen Aufstand niederzuschlagen oder die Einhaltung von Gesetzen zu erzwingen.
Wo ist der Widerstand?
Der Widerstand dagegen sieht nicht nach einem Aufstand aus. Bernard Mokam and Helene Cooper erzählen in der New York Times von den Protesten, die sie angetroffen haben:
Vor der Union Station, wo Reisende mit ihrem Gepäck ruhig darauf warteten, abgeholt zu werden, verspotteten mehrere Demonstranten das halbe Dutzend bewaffnete Nationalgardisten, das in der Gegend patrouillierte. Eine Demonstrantin, Nadine Seiler, beschimpfte die Soldaten und hielt dabei ein Schild mit der Aufschrift „Free D.C. – Release the Epstein Files“ (Befreit Washington D.C. – Veröffentlichung der Epstein-Akten) hoch; ihr Partner in einer orangefarbenen Weste schlug auf eine Kuhglocke.
Die 60-jährige Frau Seiler, die aus Trinidad und Tobago stammt, bezeichnete den Einsatz der Truppen in Washington als eine von Herrn Trump „künstlich herbeigeführte Krise“. Sie fügte hinzu: „Als jemand, der an die amerikanischen Ideale und die viel gepriesene Verfassung der Vereinigten Staaten glaubt, kann ich gar nicht in Worte fassen, wie enttäuscht ich von den Gesetzgebern und dem amerikanischen Volk bin“, das ihrer Meinung nach in dieser Krisenzeit tatenlos geblieben ist.
Von einem gefährlichen Aufstand, der Trump laut Bundesgesetz zum Einsatz der Nationalgarde berechtigen könnte, kann keine Rede sein. Hier nimmt ein autoritärer Politiker ohne erkennbaren Anlass mithilfe von militärischen Einheiten die Zivilgesellschaft in den Würgegriff – und verkauft seinen Demokratieabbau als Law-and-Order Politik.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com, MANDEL NGAN / AFP, Montage ZackZack
