Ein gesetzes- und verfassungswidriger Einsatz der Kärntner Polizei zeigte am Sonntag, dass nicht alle die Integration in die Zweite Republik geschafft haben. Denn Antifaschismus ist ein Grundpfeiler der Österreichischen Verfassung.
Peršmanhof ist eine NS-Gedenkstätte in Bad Eisenkappel, Kärnten. 1945 hat die SS dort elf Zivilisten ermordet, sieben davon Kinder. Am Sonntag veranstalteten Studierende dort bereits zum zweiten Mal ein Camp mit Workshops über Erinnerungskultur und den Rechtsruck in Europa. Die Veranstaltung ist dafür schon mit einem Preis ausgezeichnet worden. Am Sonntag rückt dann plötzlich die Polizei an. Sie ortet angeblich Verstöße gegen das Campinggesetz und Anstandsverletzungen. Auf Nachfragen gibt die LPD Kärnten aber keine Auskunft über den Grund ihres Einsatzes. Sie verstärkt den laufenden Einsatz mit einer Antiterroreinheit, Drohnen, Polizeihunden und Hubschraubern.
Am Mittwoch berichtet die Kleine Zeitung, dass der Polizeieinsatz über Tage geplant gewesen sei, und schon am Freitag davor feststand, das heißt: bevor die angeblichen Delikte, die die Polizei nicht bestätigt, stattgefunden haben sollen.
Verfassungsgesetz
Der wichtigste Grundpfeiler der Zweiten Republik in Österreich ist der Antifaschismus. Er beginnt bei der „Proklamation über die Selbstständigkeit Österreichs vom 27. April 1945“, die im Wiener Rathaus von Johann Koplenig (KPÖ), Leopold Kunschak (ÖVP), Karl Renner (SPÖ) und Adolf Schärf (SPÖ) unterzeichnet wurde und mit 1. Mai 1945 als Verfassungsgesetz für die Republik Österreich in Kraft tritt. Darin … „erlassen die unterzeichneten Vertreter aller antifaschistischen Parteien Österreichs ausnahmslos die nachstehende Unabhängigkeitserklärung.“ In knappen fünf Artikel wird erklärt, dass die demokratische Republik Österreich im Sinne der Verfassung von 1920 wiederhergestellt ist und der sogenannte Anschluss null und nichtig ist.
Das dritte Mal wird der Antifaschismus als Grundlage der Zweiten Republik im Österreichischen Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 verankert. Dort sind die Menschenrechte ebenso festgeschrieben, wie auch die Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten. Und dort heißt es: Österreich verpflichtet sich, alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen, die auf seinem Gebiete bestehen, und zwar sowohl politische, militärische und paramilitärische, als auch alle anderen Organisationen, welche eine irgendeiner der Vereinten Nationen feindliche Tätigkeit entfalten oder welche die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt sind.
Wo ist der Innenminister?
Dieser Text besagt also, dass die Republik Österreich die Kärntner Polizei auflösen müsste. Der Grund ist klar. Seit 1945 gab es überall in Österreich Menschen, die trotz des Scheiterns des Nationalsozialismus und der unaussprechlichen und unvergleichlichen Verbrechen, die er begangen hat, auf folgendem Standpunkt stehen: Wer Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hat, ist ein Verräter. Diese Leute sind der Meinung, österreichische Minderheiten und jeder Antifaschismus in Österreich ist zu bekämpfen.
Auf diesem Standpunkt stehen aber offensichtlich auch Behörden und die LPD Kärnten, die Verfassungsschutz und BFA beizog. Das alles nur um selbst eine klare und eklatante Verfassungsverletzung zu begehen. Wo ist der Innenminister, der selbst einen Eid auf diese Verfassung abgelegt hat, der sich selbst per Eid zum Antifaschismus verpflichtet und der selbst laut Verfassung einer antifaschistischen Partei angehört?
Gegen die Bevölkerung
Ein Mitarbeiter des Landesamts für Extremismusbekämpfung und Staatsschutz war, so lese ich, der Leiter dieses Polizeieinsatzes. Es scheint sich aber bei diesem Einsatz selbst um Extremismus zu handeln, der durch Missbrauch seiner Befugnis und verfassungs- und gesetzeswidriger Auslegung seiner Aufgabe unschuldige Zivilisten drangsaliert. Ist am Ende der SS-Einsatz am Peršmanhof noch nicht zu Ende?
Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des österreichischen Innenministeriums und der österreichischen Polizei, dass sie unter Gefahrenabwehr die Bekämpfung der friedlichen österreichischen Bevölkerung versteht und nicht bereit oder gar nicht in der Lage ist, staatsfeindliche Vorgänge ernst zu nehmen und einzuschreiten. Nur so ist es zu verstehen, wie der Terroranschlag in Wien vom 2. November 2020 trotz des dringlichen Hinweises eines Auslandsgeheimdienstes, dem man einfach nicht nachgegangen ist, nicht verhindert werden konnte.
Nur so ist es zu verstehen, dass die Reaktion auf den gesetzeswidrigen Einsatz am Peršmanhof wieder einmal lautet: „Alles richtig gemacht.“ Selbst wenn ein Gerichtsurteil dessen Gesetzeswidrigkeit bestätigen wird, wird man bei diesem unsäglichen Satz bleiben. Denn der zuständige Minister hat es bereits vorgemacht: Die Abschiebung einer minderjähriger Georgierin durch die Polizei, die per gültigem Gerichtsurteil „rechtswidrig“ erfolgt ist, wird von Gerhard Karner bis heute als richtig verteidigt – zuletzt in der ZiB2 vom 23. August 2022.
Ein Skandal vor der Bundesverfassung
Es ist einfach, Herbert Kickl und der FPÖ beständig die Schuld an der misslichen Lage des österreichischen Innenministeriums und der österreichischen Polizei zu geben. Aber sind die Innenminister (mit einer Unterbrechung von 17 Monaten) seit dem Jahr 2000 nicht alle von der ÖVP? Ist der Geist, den Antifaschismus nicht wie es im Gesetz steht als Grundpfeiler der Republik zu begreifen, sondern als Terrorismus, der mit Zeltlagern, Diskussionen und Wortshops gnadenlos um sich ballert, anzusehen, die wahre Motivation der Polizei? Oder wollte man “nur” Antifaschisten einschüchtern?
Was hier passiert ist, ist ein Skandal vor der österreichischen Bundesverfassung. (Von der Geldverschwendung dieses Polizeieinsatzes einmal gar nicht zu sprechen!) Man muss offensichtlich heute damit beginnen, die Beamtinnen und Beamten der Kärntner Polizei in das Alltagsleben zu integrieren, sie verpflichtende Grundkurse für Staatsbürgerkunde und unsere Leitkultur, den Anti-Faschismus, machen zu lassen. Und sie eventuell bis zur erfolgreichen Integration mit einer Bezahlkarte auszustatten, anstatt ihnen Bargeld zu geben. Denn wer weiß, wofür es ausgegeben wird.
Titelbild: Miriam Moné
