In der ÖVP glaubt man, dass der Fall „Wöginger“ ausgesessen ist. Eine NEOS-Abgeordnete hat sich quergelegt – aber die SPÖ und ihre Justizministerin haben „gehalten“. Doch die ÖVP dürfte sich zu früh gefreut haben.
Schon September 2014 hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 17Os27/14w eine Wöginger-Grenze gezogen. Ein Schulleiter bezog jeden Monat zu Unrecht eine höhere Zulage. Dadurch entstand ein monatlicher Schaden von 63 Euro – und lag damit für den OGH klar über der Grenze für einen „nicht geringfügigen Vermögensschaden“. Für den Gerichtshof war Diversion damit explizit ausgeschlossen.
Der Wöginger-Schaden liegt wohl weit über den 63 Euro. Dazu kommt eine zweite Feststellung des OGH, dass es nicht nur um den finanziellen Schaden, sondern auch um den „Schaden auch an immateriellen und öffentlichen Rechten“ geht. Wenn also nicht die mit Abstand Bestqualifizierte, sondern das Parteibuch gewinnt, entsteht allein dadurch, dass der Schlechtere das Amt bekommt, ein Schaden.
Dieser Schaden ist irreparabel. Damit ist jede Wiedergutmachung und damit eine weitere Ausrede ausgeschlosssen.
Rechtsmittel durch Sporrer
Die OGH-Entscheidung liefert den letzten Beweis: Die Linzer Diversion war gesetzwidrig und damit illegal. Was kann und was muss jetzt geschehen?
Der erste Ball liegt bei der Justizministerin. Als erfahrene Höchstrichterin wird Anna Sporrer längst wissen, dass die Linzer Richterin gesetzwidrig entschieden hat. Die Ministerin ist damit verpflichtet, die Oberstaatsanwaltschaft anzuweisen, sofort ein Rechtsmittel einzulegen.
Die OStA müsste dann nur eines tun: die Seiten 133 bis 135 der WKStA-Anklage abzuschreiben. Dort wird im Detail erklärt, warum im Fall „Wöginger“ jede Diversion ausgeschlossen ist.
Rechtsstaatlich ist die Anfechtung der einzige Weg, der der Ministerin offensteht. Doch in der SPÖ scheint niemand bereit zu sein, den ersten Schritt auf diesem Weg zu machen. Sporrer hält sich bisher von Pilnacek bis Wöginger aus allen politisch heiklen Fällen heraus und signalisiert damit, dass sie als Ministerin alles laufen lässt.
Alle berechtigt
Der zweite Weg steht allen offen. Paragraf 23 der Strafprozessordnung regelt, wann die Generalprokuratur beim OGH eingreift:
Die Generalprokuratur kann von Amts wegen oder im Auftrag des Bundesministers für Justiz gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichts Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben, und zwar auch nach Rechtskraft der Entscheidung sowie dann, wenn die berechtigten Personen in der gesetzlichen Frist von einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf keinen Gebrauch gemacht haben.
Ganz am Ende des Paragrafen steht ein entscheidender Satz: „Im Übrigen ist jedermann berechtigt, die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzuregen.“ Jedermann und jedefrau – das sind alle. Damit scheint festzustehen, dass Nichtigkeitsbeschwerden kommen und die Causa „Wöginger“ mit ihnen in die nächste Runde geht.
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