Eine Benachteiligung von Menschen, die kein Smartphone nutzen, ist undemokratisch. Aber ist der generelle Verzicht auf das Smartphone notwendig, um die Demokratie zu erhalten?
Kürzlich hat meine Schriftstellerkollegin Laura Freudenthaler im Standard einen vielbeachteten Artikel geschrieben: Sie berichtet über ihr Leben ohne Smartphone. Eine bewusste Entscheidung, die einige Menschen in meinem Umfeld getroffen haben – aus verschiedenen Gründen. Freudenthaler nennt gute und triftige Gründe dafür und kommt auch zum Ergebnis, dass, wer kein Smartphone hat, Nachteile in Kauf nehmen muss. Oder sie oder er muss mit Kosten rechnen, wo SmartphonenutzerInnen keine Kosten entstehen; etwa bei der ID Austria.
Ich möchte nun den Artikel nicht nacherzählen, den man frei zugänglich nachlesen kann. Auch möchte ich Freudenthalers Entscheidung nicht kritisieren. Ich habe höchsten Respekt und Hochachtung vor der dahinterstehenden Konsequenz. Auch schließe ich mich den ökologischen und demokratischen (gegen eine Herrschaft der Konzerne) gerichteten Beweggründen inhaltlich voll an. Ich möchte nur die Frage stellen, ob ein technologisches Zurück die einzige Lösung ist.
Regulierung durch den Staat
Ich bewerte die Existenz einer Subkultur, die eine bestimmte Mainstream-Kultur ablehnt und anders lebt, als positiv. Sie stärkt die Breite des demokratischen Spektrums und auch seine Diskussionsbasis. Dennoch müsste der politische Schluss aus den Argumenten gegen die Smartphonebenutzung meiner Meinung nach ein anderer sein: Der Staat oder Staatenbünde müssten dagegen vorgehen, dass private Konzerne sich Monopole sichern. Der Staat müsste regulieren und die Gleichheit seine Bürgerinnen und Bürger sicherstellen.
Genau das ist es eben, was seit Jahrzehnten nicht passiert. Die Benutzung des Betriebssystem Windows, die Benutzung von Google und die Benutzung proprietärer Smartphones bringen Vorteile und der Konsument, ja ganze Firmen, Kommunen und Staaten geraten unter Druck, sich für bestimmte Produkte zu entscheiden. Wir wissen, dass diese Konzerne dahinter inzwischen nicht einmal ihre Steuern in diese Staaten korrekt abliefern. All das sind Auswüchse der Entdemokratisierung, die weiter fortschreitet. Die konservativen und rechten Parteien huldigen diesen Firmen. Doch auch Sozialdemokraten und Grüne treten nicht gegen sie auf und haben damit ein Problem geschaffen, das letztlich sie selbst und ihre Glaubwürdigkeit bedroht.
Privater Verzicht – institutionalisierte Verschwendung
Und so zieht man sich inzwischen darauf zurück, dass Konsumentin und Konsument von sich aus verzichten sollen, während Konzerne sich schamlos der Verantwortung entziehen. Nicht nur Konzerne. Es ist beachtenswert, wenn einzelnen Menschen auf eine Flugreise verzichten. Wenn dem allerdings gegenübersteht, dass die deutsche Regierung, weil bestimmte Behörden seit Jahrzehnten immer noch nicht von Bonn nach Berlin umgesiedelt wurden, im Jahr zigtausende Flugreisen von Bonn nach Berlin und umgekehrt konsumiert, dann gibt es weder eine Vorbildfunktion des Staates noch eine Verhältnismäßigkeit zum privaten Konsum oder privaten Verzicht.
Wir wissen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, dass die Kostenwahrheit bei Flugreisen endlich einmal durch die korrekte Besteuerung des Treibstoffs Kerosin geschaffen werden müsste. Wir wissen, dass im Warenverkehr per Lkw endlich Kostenwahrheit brauchen: dass die Frächter Arbeits- und Sozialgesetze einhalten müsste und ihnen Leerfahren endlich verboten werden müssten. Das wäre der Startschuss, der signalisieren würden, dass alle Seiten sich dem Problem stellen und nicht bei den Großen wegschauen und den Einzelnen zum Verzicht mahnen.
So wie der Staat Verschwendung der Mittel einen Riegel vorschieben muss, so muss er auch bei sinnloser Mobilität eingreifen. Und die sinnlose Mobilität ist bei Kommunen, Staaten und Konzernen wesentlich höher als im privaten Konsum. Bei letzterem würde schon Kostenwahrheit (also etwa eine Erhöhung der Flugpreise) einen Rückgang im Konsum bewirken.
Benachteiligte Bürgerinnen und Bürger
Genauso sehe ich es auch bei der Smartphonenutzung. Entscheidend ist, dass der Staat und dass die Europäische Union verhindern, dass es zu Monopolstellungen kommt und bestehende Monopolstellungen auflöst. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass immer mehr Amtswege digital zu erledigen sind, von mir aus auch per Smartphone oder App. Doch jene, die weder Smartphone noch App benutzen, dürfen nicht benachteiligt werden.
Hier muss die Bundesregierung tätig werden. Hier muss die EU tätig werden. Und diese Tätigkeit muss viel weiter gehen. In der Frage der sogenannten Big-Data und auch der Datengrundlage für KI-Anwendungen muss, wie ich schon in einem früheren Artikel geschrieben habe, das Urheberrecht endlich berücksichtigt werden. Donald Trump hat schon in Aussicht gestellt, es völlig abzuschaffen. Das ist der falsche Weg. Denn im Kampf für Demokratie müssen wir uns nicht nur gegen die Herrschaft von Konzernen zur Wehr setzen, sondern auch der Herrschaft von Autokraten. Wir wollen selbst regieren – das ist ja die Bedeutung von Demokratie.
Ist der Verzicht auf das Smartphone wirklich die einzige Möglichkeit, die Demokratie zu erhalten? Wenn das so ist und die Politik die Benachteiligten alleine lässt, dann muss ich mein Smartphone auch aufgeben. Ein „altes“ Handy hat bestimmt auch seine Vorteile: Mehr Ruhe – und der Akku hält zehn Tage lang. Rousseau würde es so machen.
