Der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter musste sich am Donnerstagvormittag am Landesgericht Wien zum Vorwurf der Falschaussage verantworten. Er hatte bei einer Sicherstellungsanordnung sein privates Handy unter falschen Angaben nicht herausgegeben.
Weitergegebene, sichergestellte und vorübergehend nicht auffindbare Mobiltelefone sind in Österreich immer wieder die zentralen Objekte von Gerichtsprozessen. So auch am Donnerstagvormittag. Da musste der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter vor Gericht erklären, warum er bei einer Befragung vor dem U-Ausschuss am 31. März 2022 falsch ausgesagt hatte.
Falschaussage: „Handy zu Hause“
Streitpunkt in dem Verfahren: Warum hat Brandstetter am 31. März 2022 vor dem ÖVP-U-Ausschuss gesagt, er hätte sein privates Handy im Februar 2021 nicht an Ermittler aushändigen können, weil er es zu Hause lassen habe? Die Aussage war eindeutig falsch, das bestritt nicht einmal Brandstetters Anwalt Georg Krakow. In Wahrheit hatte Brandstetter sein Handy an dem Ort, wo die Ermittler im Februar 2021 erschienen waren: In seinem Büro im Verfassungsgerichtshof, wo Brandstetter Richter war. Das ergab eine Standortauswertung des Telefons. Nur zwei Stunden später nach der erfolglosen Sicherstellung sei mit dem Handy sogar zweimal telefoniert worden, sagte der Staatsanwalt. Brandstetter wusste von der Handyortung zum Zeitpunkt seiner Aussage nicht.
Das kam auch dem Richter komisch vor. Er fragte nach: „Haben Sie das öfter so gemacht, dass Sie ihr Handy ganz zu Hause gelassen haben? Das kommt mir bisschen lebensfremd vor“. Normalerweise nicht, gab Brandstetter zu. Es sei aber ab und zu vorgekommen.
„Gedächtnis ist etwas Volatiles“
Die Verteidigungsstrategie von Brandstetters Anwalt versuchte nicht, die offensichtliche Falschaussage zu bestreiten. Vielmehr wurden Erinnerungslücken ins Treffen geführt, die auf den gesundheitlichen Zustand Brandstetters abzielten. Chaos und Stress hätten sowohl bei der Sicherstellungsanordnung, als auch bei der Befragung um U-Ausschuss 13 Monate später zu falschen Erinnerungen Brandstetters geführt. Ein belastender Autounfall und zwei Lungenembolien sowie Stress führten zu Brandstetters Gedächtnisverlust, so die Argumentation.
Der anwesende psychiatrische Gutachter untermauerte diese Linie, stellte aber auch fest, dass Brandstetter nie so beeinträchtigt war, dass er nicht wusste, was er tat. Ein Gutachten einige Jahre später kam zu dem Schluss, dass Brandstetters Gedächtnis bestens funktionierte.
Freispruch dank fehlendem Vorsatz
Der Richter stützte sich auf das Gutachten des anwesenden Psychiaters und sprach Brandstetter vom Vorwurf der absichtlichen Falschaussage frei.
Der Staatsanwalt ging ohne zu Zögern in Berufung. Ihn wunderte, warum Brandstetter das Handy erst viel später über den Umweg seiner Frau und eines Sachverständigen an die Ermittler weitergab. An eine Erinnerungslücke glaubte er nicht. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
Tojner Hausdurchsuchung verraten?
Der Hintergrund: Die Ermittler wollten Brandstetters Geräte sicherstellen, weil sie den Verdacht hegten, dieser habe als Vertrauter von Unternehmer Michal Tojner eine Hausdurchsuchung an seinen Freund verraten. Denn als die Ermittler 2019 die Räumlichkeiten Tojners durchsuchten, begrüßte sie dieser mit den Worten: „Kaffee und Kuchen sind schon vorbereitet.“ Das Verfahren wurde eingestellt.
