Die Richterin, die die Diversion angerichtet hat, darf nicht neuerlich den Vorsitz im Wöginger-Prozess führen. Verfassungsjurist Heinz Mayer begründet das mit dem Obersten Gerichtshof. Wöginger-Opfer Christa Scharf will die Richterin ablehnen.
Richterin Melanie Halbig hatte laut Oberlandesgericht Linz vieles falsch gemacht. Eine Diversion, meinte das OLG, sei nur „in gerade atypisch leichten Fällen zulässig“. Die Vorwürfe gegen Klubobmann Wöginger seien dazu viel zu schwerwiegend. Dazu komme die fehlende abschreckende Wirkung, also der Eindruck, dass man als Politiker letzten Endes nichts zu befürchten habe und sich alles bis zur Diversion richten könne.
Das OLG Linz gab der WKStA recht und hob die billige Diversion auf. Damit ging das Verfahren zurück an die erste Instanz. Dort überraschte die Präsidentin des Linzer Landesgerichts alle und setzte wieder Halbig als Richterin ein.
OGH-Entscheidung missachtet?
Das Oberlandesgericht hat dabei offensichtlich einen Fehler gemacht und den Obersten Gerichtshof übersehen. Bereits am 15. Oktober 2009 hatte der OGH eine Entscheidung, die das Wöginger-Verfahren noch einmal beeinflussen müsste, getroffen.
Die Feststellung des Senats unter Führung von OGH-Präsident Eckart Ratz trifft die Wiederholungsrichterin: Es „liegt nach § 43 Abs 2 letzter Fall StPO Ausgeschlossenheit eines Richters vom Hauptverfahren eines weiteren Rechtsgangs nur dann vor, wenn er am kassierten Urteil mitgewirkt hat“. Genau das passiert gerade in Linz im Fall „Wöginger“.
Auch das Argument, das Verfahren würde nur fortgesetzt, nützt nichts, weil dann eine weitere Bestimmung des § 43 StPO greift: „Ein Richter ist außerdem vom Hauptverfahren ausgeschlossen, wenn er (…) an einer Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens oder an einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs aufgehoben wurde.”
Zweifel an Unparteilichkeit
Dazu kommt noch die erste Bestimmung des Paragrafen 43 der Strafprozessordnung:
§ 43 (1). Ein Richter ist vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn (…) andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.
Diese „anderen Gründe“ könnten sich in der gesamten Prozessführung der offensichtlich unerfahrenen Richterin finden.
Hohes Risiko
Verfassungsrechts-Experte Heinz Mayer hält fest: “Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat schon vor 40 Jahren zum Erfordernis eines ‘fairen Verfahrens’ ausgesprochen, dass eine volle Unbefangenheit der zur Entscheidung berufenen Organwalter nicht nur tatsächlich gegeben sein muss, sondern dass diese Unbefangeheit auch von außen sichtbar sein muss: ‘Justice must be done and be seen to be done’.“
Daraus schließt Mayer: “Alle österreichischen Höchstgerichte – insbesondere auch der OGH – haben diese Rechtsansicht übernommen und haben ihre Judikatur zunehmend verschärft.
Im vorliegenden Fall muss man davon ausgehen, dass das OLG Linz der Erstrichterin vorgeworfen hat, dass sie bei der Zuerkennung der Diversion in fast allen relevanten Punkten rechtswidrig gehandelt hat. Wenn man in diesem Fall an ihrer vollen Unbefangeheit festhalten will, birgt dies ein hohes Risiko einer Aufhebung ihres Urteils – gleich wie es ausfällt.”
ZackZack konfrontierte das Landesgericht Linz mit den Fragen zur Wahl derselben Erstrichterin. Die angekündigte Antwort stand bis Mittag aus. Inzwischen stellte August Wöginger klar, dass er auch im Fall einer Verurteilung nicht als ÖVP-Klubobmann zurücktreten werde.
Sollte Wöginger diesmal zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden, nützt ihm sein Beharrungsvermögen nichts. Dann verliert er automatisch Amt und Mandat.
Ablehnung der Richterin
Christa Scharf hat als Wögingers Opfer gemeinsam mit dem Verfassungsrechts-Professor Heinz Mayer mit ihrem Gang zur Generalprokuratur bereits entscheidend zum Kippen der Diversion beigetragen. Jetzt hat sie ihren Anwalt beauftragt, einen Antrag zur Ablehnung der Richterin einzubringen – genau mit den Argumenten des Obersten Gerichtshofs. Scharf hat dabei einen Wunsch: „Ich will endlich ein Verfahren, in dem alle Gesetze beachtet werden.“
Damit scheint die nächste Pleite in Linz in Reichweite.
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