Samstag, Dezember 6, 2025

Elf mal Zwang

Die Diskussionen um die Bezüge in der Wirtschaftskammer gehen weiter. Es ist richtig hier konsequente Offenlegung zu fordern. Manche Kommentatoren aber gehen weiter und wollen anlassbezogen gleich die Kammer selbst abschaffen.

Ausgehend von den Mehrfachbezügen von Wirtschaftskammerpräsident Mahrer hat sich die Diskussion um Funktionärsgehälter ausgeweitet. Peter Nindler schreibt in der Tiroler Tageszeitung:

Wie pharisäerhaft wird derzeit die Diskussion über die Funktionsentschädigungen bei der Wirtschaftskammer geführt? Die Spitzenfunktionäre haben sich ihre Gehälter selbst kräftig erhöht, auch die Tiroler Wirtschaftskammer-Präsidentin Barbara Thaler – von 6400 Euro auf mehr als 10.000 Euro im Monat. Und jetzt rückt gerade Thaler als Speerspitze gegen den Präsidenten Harald Mahrer aus. Wegen dem Hin und Her bei den Gehaltsanpassungen der Kammerangestellten.

In der Tat müssen solche Zahlen in Zeiten, in denen überall gespart werden muss, um die Inflation endlich in den Griff zu bekommen, sehr irritieren. Die Debatte ist richtig und notwendig. Vor allem aber ist, wie Nindler in weiterer Folge feststellt, nicht zu verstehen, warum Politikerinnen und Politiker mit ihrer Tätigkeit offensichtlich nicht ausgelastet sind und zwei oder mehrere Ämter bekleiden und dafür Bezüge erhalten. Nindler weiter:

Den Vogel hat allerdings die oberösterreichische Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer abgeschossen. Das System, nach dem die Gehälter angepasst werden, sei fair, aber zu einem Zeitpunkt, wo alle sparen müssen, daran unbeirrt festzuhalten, sei ein Fehler gewesen. Wo bleibt das Eingeständnis, dass die im Sommer kräftig nach oben geschraubten Funktionärsbezüge eigentlich nicht zu rechtfertigen sind? Was noch schwerer wiegt, sind die Doppel- und Mehrfachbezüge.

Nun könnte man angesichts dieser Krise ja einmal eine tatsächlich ethische Diskussion führen – nicht unter der Leitung von Frau Klasnic oder Herrn Fasslabend, sondern indem man seine Arbeit als Interessenvertreter ernst nimmt. Als solcher hat man wohl im Moment genug zu tun und sollte von sich aus darauf verzichten, weitere Posten anzunehmen, sondern sich um das Vertrauen seiner Klientel bemühen. Stattdessen wird – wie mir scheint – das Kind mit dem Bad ausgeschüttet und die Existenz der Interessenvertretung überhaupt infrage gestellt. Franz Schellhorn vom wirtschaftsliberalen ThinkTank Agenda Austria in Die Presse:

Wenn die Wirtschaftskammer die Löhne ihrer Beschäftigten um 4,2Prozent erhöht und sich diese Gönnung von schwer strauchelnden Zwangsmitgliedern bezahlen lässt, dann zählt das zu jenen Dingen, die man nicht erklären kann. Nicht den zwangsverpflichteten Unternehmern, die seit Jahren in einer hartnäckigen Krise stecken und nicht mehr wissen, wie sie die Erhöhung der eigenen Arbeitskosten bezahlen sollen. Auch nicht den Beschäftigten der Metallindustrie, die Reallohnverluste hinnehmen, weil sie den Niedergang der eigenen Branche tagtäglich am eigenen Arbeitsplatz erleben und sich jetzt von den bestens geschützten Beschäftigten der Unternehmervertretung auf offener Bühne verhöhnt fühlen.

So recht Schellhorn auch hat, übernimmt er hier mit den Worten Zwangsmitglied und zwangsverpflichtet die Sprache der FPÖ, die genau mit diesen Begriffen immer wieder die Arbeiterkammer oder die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angreift. Das Ziel dieser Angriffe ist Deregulierung. Elf Mal kommt das Wort Zwang in Schellhammers Artikel vor. Dann aber schlägt er vor, die Interessensvertretung durch Wettbewerb zu beleben:

Wie man es auch dreht und wendet: Die Zwangsmitgliedschaft dient vor allem einem Zweck: den Wettbewerb von den Kammern und ihren Beschäftigten fernzuhalten. Das tut keiner Institution gut, auch nicht den Interessenvertretungen. Wettbewerb belebt nicht nur die Sinne, er bringt auch die eigene Leistungsbereitschaft in Schwung. Bevor wir aber die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den österreichischen Kammern erleben, wird eine dreifach geschiedene Mutter zur Päpstin gewählt.

Ich glaube nicht, dass Liberalisierung und Deregulierung zu Wettbewerb führt. Im Gegenteil. Die Neo-Konservativen und Neo-Liberalen wenden sich der Monopolisierung zu und sind, wie ihr Aushängeschild Peter Thiel es schon offen ausspricht, gegen Wettbewerb. Und was Schellhorn vergisst: Es gibt Wirtschaftskammerwahlen. Es müsste also der Herr Mahrer dort nicht sitzen, wenn man anders wählen würde. Eine Interessenvertretung abzuschaffen, die man wählen kann, weil es Machtmissbrauch gibt, scheint mir der falsche Weg. Recht gebe ich Schellhorn aber darin, dass er die Offenlegung der Gehälter fordert:

Wenn wir also die Zwangsmitgliedschaft schon nicht loswerden – und das werden wir in absehbarer Zeit nicht–, dann braucht es zumindest volle Transparenz. Hundertprozentige Offenlegung aller Kostenstellen. Online, jederzeit abrufbar, für jedes Zwangsmitglied einsehbar.


Titelbild: Manon Verét

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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