Eine Bewerberin für die Landesdirektion Niederösterreich im ORF hatte eine Beschwerde gegen den Rundfunk eingebracht, weil sie sich über den intransparenten Bewerbungsprozess gewundert hatte. Nach dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wunderte sie sich noch mehr.
Zwei Verhandlungstage am Bundesverwaltungsgericht zu angeblich intransparenten Postenbesetzungen in der ORF-Führungsetage offenbarten, wie willkürlich der Generaldirektor bei Postenvergaben auf Führungsebene handeln kann. Die unterlegene Bewerberin Nina Krämer-Pölkhofer hatte gegen den im März 2023 ihrer Ansicht nach undurchsichtigen Bewerbungsprozess Beschwerde eingelegt. Das Erkenntnis des Gerichts Mitte September 2025: Generaldirektor Roland Weißmann habe nicht gegen das ORF-Gesetz verstoßen, weil es für Bewerbungen keine verpflichtenden Bestimmungen gäbe.
„Wählen heißt nicht würfeln“ – Oder doch?
Eingeweihte Demokraten wissen es längst: „Wählen heißt nicht würfeln“ – das stellte auch der ehemalige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka klar.
Die Anwältin von ORF-General Weißmann, Katharina Körber-Risak, sah das offenbar anders. Auf die Vorwürfe der Beschwerdeführerin, der Auswahlprozess im Bewerbungsverfahren sei nicht gemäß nachvollziehbarer Kriterien abgelaufen, stellte Körber-Risak abseits des öffentlichen Gesprächsprotokolls laut Beschwerdeführerin und deren Anwältin klar: Der Job „hätte auch gewürfelt werden können“. Zum Bewerbungsprozess sagt Körber-Risak auf ZackZack-Anfrage: „dass auf jeden geeigneten Prozess zurückgegriffen werden kann, um eine:n fachlich geeignete:n Bewerber:in auszuwählen. Die konkrete Formulierung „würfeln“ ist mir nicht erinnerlich und findet sich weder in unseren Schriftsätzen, noch im Protokoll.”
Es entstand der Eindruck, dass es wenig bindende Vorgehensweisen bei Bewerbungsverfahren im ORF gebe. Chancen auf Top-Jobs im Rundfunk hat man demnach nur dann, wenn der amtierende Generaldirektor dem Stiftungsrat einen entsprechenden Vorschlag macht.
Kein Bewerbungsgespräch, politische Mehrheitsverhältnisse
Nina Krämer-Pölkhofer, die sich für den Posten der Landesdirektion ORF Niederösterreich bewarb, erhielt keine Rückmeldung auf ihre Bewerbung. Bei der – nach eigener Einschätzung qualifizierten – Bewerberin kamen Zweifel auf, „dass sich niemand ernsthaft mit der Bewerbung auseinandersetzte oder diese gewissenhaft prüfte”. Wie sich später herausstellen wird, führte Generaldirektor Weißmann mit niemandem ein Bewerbungsgespräch.
Roland Weißmann schlug dem Stiftungsrat schließlich nur Alexander Hofer als Bewerber vor. Weil der Stiftungsrat selbst keine Kandidaten vorschlagen kann, war die Wahl Hofers die logische Konsequenz.
Der neu bestellte Landesdirektor des ORF Niederösterreich ließ schon beim Hearing vor dem Stiftungsrat mögliche politische Einflussnahme durchblicken. Dort sagte er: „Während man in diesem Gremium sitze, tage der Landtag. Die konstituierende Landtagssitzung bilde auch schon nach der Landtagswahl Ende Jänner andere Mehrheitsverhältnisse ab. Diese werde man selbstverständlich auch in der Berichterstattung des ORF Niederösterreich bemerken.“
Betriebsregeln auf Top-Ebene ungültig
Für Krämer-Pölkhofer und deren Anwältin Pia Kern war das Vorgehen des ORF Anlass genug, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Dieses folgte aber der Argumentation des ORF, dass das ORF-Gesetz zwar festlegt wie ein Landesdirektor zu bestellen ist, nämlich durch den Stiftungsrat auf Vorschlag des Generaldirektors. Es existieren aber keine Bestimmungen, wie Generaldirektor und Stiftungsrat diese Auswahl treffen. Zwar gebe es im ORF eine Betriebsvereinbarung, die Bewerbungsprozesse klar regelt. Diese gelte allerdings nicht auf der Top-Ebene, wie auch Körber-Risak bestätigt: „Betriebsvereinbarungen des ORF sind auf die Besetzung des bzw. der Direktor:in eines Landesstudios, sowie generell auf leitende Angestellte nicht anzuwenden.“
Krämer-Pölkhofer sprach ZackZack gegenüber von einer Lücke im ORF-Gesetz und einem “Freibrief” für Wunschbesetzung in der ORF-Geschäftsführung. Es sei „paradox, dass weiter unten in der Postenhierarchie viel strengere Auswahlkriterien gelten, als auf Chefebene” und appelliert an die Gesetzgeberin, hier nachzuschärfen und „offene Türen für Postenschacher zu schließen”.
Das Bundesverwaltungsgericht räumte dem ORF-Generaldirektor in seinem Erkenntnis weiten Ermessensspielraum ein: „Nach der Rechtsprechung war der am besten geeignete Bewerber vom Generaldirektor auszuwählen bzw. vom Stiftungsrat zu bestellen. Den dabei im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätigen Organen des ORF, auch dem Generaldirektor bei der Auswahl, kam dabei ein weiter Spielraum zu.“
Weißmann hätte dem ORF-Gesetz zufolge lediglich feststellen müssen, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle fachlich geeignet war. Nachdem Hofer Channelmanager von ORF 2 war, stand die grundsätzliche fachliche Eignung außer Frage. Ob Hofer auch der beste Kandidat war, oblag nicht der Beurteilung des Gerichts. Körber-Risak sah ihre Argumentation „gerichtlich bestätigt: Das Verfahren war gesetzeskonform, transparent und rechtmäßig.“
Bewerbungsfrist nicht eingehalten?
Pia Kern ortete jedoch auch bei der Bewerbungsfrist Unregelmäßigkeiten. Offiziell lief die Frist bis 14. März 2023. Weißmann hatte nach eigener Aussage den Stiftungsräten zehn Tage vor der Sitzung seinen Vorschlag übermittelt. Auch ein Stiftungsrat gab in der Verhandlung an, dass er – ebenso wie Alexander Hofer selbst – zehn Tage vor der Sitzung informiert wurde. Zehn Tage vor der Sitzung war die Frist für Bewerbungen noch nicht einmal abgelaufen.
Damit wäre das ORF-Gesetz verletzt worden. Der ORF bestritt das im Nachhinein und gab Monate nach der Verhandlung per Mail an das Gericht an, dass der Generaldirektor erst einen Tag vor der Sitzung über die Auswahl Hofers informierte. Beweise dafür wurden laut Kern keine angeboten. Für die Anwältin waren deswegen die Angaben des ORF zur Einhaltung der Bewerbungsfrist „unglaubwürdig“. Das Gericht ging auf diese Widersprüche nicht ein. Für Kern ein Grund, den Verfassungsgerichtshof anzurufen.
Weißmann-Anwältin Körber-Risak sagte auf Anfrage dazu: „Das BVwG hat nach durchgeführtem Beweisverfahren festgestellt, dass der Vorschlag dem Stiftungsrat am 22. März 2023 übermittelt wurde.”
Postenschacher kündigt sich an
Im zweiten Halbjahr 2026 werden sowohl die Direktionen in der ORF-Zentrale, als auch die Generaldirektion im ORF neu besetzt. Als aussichtsreichste Bewerber für den Chefsessel gelten Weißmann und Hofer. Wie der Standard berichtet, soll sich die Koalition bereits auf die Aufteilung der Posten geeinigt haben. Der Generaldirektor wird dabei von ÖVP-Kreisen vorgeschlagen werden, die SPÖ bekommt zwei Direktoren am Küniglberg. Die NEOS sind über die politischen Besetzungen im Rundfunk nicht glücklich.
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