Was für jedes Kind zu lernen ist: Die Ungleichheit, die es erwartet, sobald es in die Räder und Rädchen des Schulbetriebes gerät.
Der Herbst ist da, es naht der Ernst des Lebens, der vollmundig versprochene, wenn man das erste Mal die Schwelle eines Schulgebäudes überschreitet. Und sobald die Kinderfüße über diese Schwelle geschritten sind, beginnt er auch. Weniger durch das planmäßig zu Lernende, mehr durch das, was man sehr lange nicht lernen wird, weil es zu gerne unter sämtliche Teppiche gekehrt wird: Die Ungleichheit, die jedes Kind erwartet, sobald es in die Räder und Rädchen des Schulbetriebes gerät. Hat es Glück, werden die Familienverhältnisse es durch die Schulkarriere tragen, die Lehrenden sanfter stimmen, die Bereitschaft, nachsichtiger zu sein, man erwartet von höheren Kindern, dass sie irgendwie besonders sein mögen, jedenfalls begabter oder vorgebildeter, etwas Elitäres eben.
“Kommt das Kind aus Verhältnissen, die gerne von oben herab als „sozial schwach“ bezeichnet werden, sieht es mit dem Kindesfortkommen schon etwas anders aus. Als ob das Soziale von dem Finanziellen abhängen würde.”
Kommt das Kind allerdings aus Verhältnissen, die gerne von oben herab als „sozial schwach“ bezeichnet werden, sieht es mit dem Kindesfortkommen schon etwas anders aus. Als ob das Soziale von dem Finanziellen abhängen würde. Ein Blick aus den luftigen Gefilden der totalen Sicherheit hinunter in die Niederungen des Überlebens-Gestressten, das weniger sicher ist in seinem Auftreten, immer auf dem Sprung, immer unter Druck, etwas, das sich auch in der Ungleichheit der Gesundheit niederschlägt, übrigens, aber das führt uns zu weit mehr Themen als dem anvisierten. Die einen werden nach dem ersten Schultag in einem hippen Restaurant das Schuljahr mit den Eltern einläuten und die anderen bei McDonalds. Und so wird es auch weitergehen. Bei Taschengeld, Kleidung, Unterlagen, Hobbies. Bei der Schulbegleitung durch die Eltern, bei der vielleicht notwendigen Nachhilfe, bei Schulreisen. Bei dem, wie das Kind erlebt, wenn es beobachtet, wie seine Eltern wahrgenommen werden, wie sie behandelt werden, wie das Kind selbst behandelt wird.
“Anhand der Eltern lernt das Kind, seinen Platz zu kennen. Ob seine Muttersprache als etwas Elitäres, Schönes betrachtet werden wird oder als ein Makel. Ob die Eltern sich schämen, nicht so dazuzugehören, ob sie sich in dem Land, in dem das Kind in die Schule kommt, zurechtfinden oder ob sie selbstbewusst auftreten, ihren Platz in der sozialen Hackordnung gut kennend.“
Anhand der Eltern lernt das Kind, seinen Platz zu kennen. Ob seine Muttersprache als etwas Elitäres, Schönes betrachtet werden wird oder als ein Makel. Ob die Eltern sich schämen, nicht so dazuzugehören, ob sie sich in dem Land, in dem das Kind in die Schule kommt, zurechtfinden oder ob sie selbstbewusst auftreten, ihren Platz in der sozialen Hackordnung gut kennend. Denn diese Hackordnung existiert. Noch kann das Kind es vielleicht nicht ganz begreifen, woran diese Ungleichheit liegt, aber irgendwann wird die Erkenntnis doch kommen. Bildung wird nach wie vor vererbt. Der Weg nach oben ist für andere Kinder mit einer tiefhängenden Glasdecke versperrt, und es wird schwer, diese Hürde zu überwinden. Natürlich schaffen es jedes Jahr einige, andere zerschellen an ihr. Dieses Versagen ist keinesfalls das alleinige Versagen des betreffenden Kindes. Es ist ein Versagen der Gesellschaft, die Jahr für Jahr Kinder an beinahe bruchsicherem spiegelnden Glas zerschellen lässt.
