Samstag, Dezember 6, 2025

Pilnaceks letzte Nacht: nur sechs Minuten allein

Ist Christian Pilnacek am 20. Oktober 2023 um 4.03 Uhr verstorben? Und: War Pilnacek in seiner letzten Nacht nur sechs Minuten allein? Erste Antworten finden sich im IT-Bericht, mit dem die WKStA Pilnaceks Smartwatch analysiert hat.

„Die Auswertung der auf der Smartwatch vorhandenen Daten ergab keine für das gegenständliche Ermittlungsverfahren relevanten Daten, insbesondere gibt es keine Einträge hinsichtlich GPS-Standorten und Health-Data; es ist demnach nicht möglich ein Bewegungsprofil für die Nachtstunden 19. auf 20.10.2023 oder einen genaueren Todeszeitpunkt nachzuvollziehen.“

Als Chefinspektor Hannes Fellner das in seinem Abschlussbericht am 8. Jänner 2024 festhielt und der Staatsanwaltschaft Krems vorlegte, waren die Ermittlungen zum Tod des Sektionschefs am Ende. Bald darauf stellte die Staatsanwaltschaft Krems die Ermittlungen offiziell ein. Man hatte nichts gefunden.

Im Jänner 2024 wusste Fellner nicht, dass nach dem Erscheinen des Buches „Pilnacek – der Tod des Sektionschefs“ alles noch einmal aufgerollt werden müsste. Gerichtsmediziner in Innsbruck und Berlin hatten plausibel belegt, dass die Selbstmord-Legende von Staatsanwaltschaft Krems und Landeskriminalamt St. Pölten nicht mehr aufrechterhalten werden konnte.

Galaxy Watch 3

Pilnaceks Smartwatch Galaxy Watch 3 war zu diesem Zeitpunkt längst den Weg des Handys zur Grazer Gerichtspräsidentin Caroline List gegangen. Aber im Landeskriminalamt in St. Pölten lag noch eine Sicherungskopie der Samsung-Daten.

Nachdem das Pilnacek-Buch im Februar 2025 erschienen war, hatte die Staatsanwaltschaft Krems den Fall „Pilnacek“ nicht mehr unter Kontrolle. Die WKStA ermittelte, und am 19. März 2025 erteilte ein Oberstaatsanwalt der WKStA seinem IT-Experten einen Auftrag. Er sollte herausfinden, wann sich die Smartwatch, die Pilnacek bei seinem Tod am Handgelenk getragen hatte, das letzte Mal mit seinem Handy, das im Haus in Rossatz lag, synchronisiert hatte.

Gesundheitsdaten abgelegt

Der IT-Experte durchsuchte die Kopie der Watch-Daten, die das Landeskriminalamt St. Pölten der WKStA übergeben hatte müssen. Wieder geschah das, worüber sich bereits bei den Ibiza-Handys viele gewundert hatten: Dort, wo die St. Pöltner Ermittler und ihre Experten im Bundeskriminalamt nichts gefunden hatten, wurde die WKStA fündig. Sie hielt fest, dass viele der Gesundheitsdaten vermutlich in der Datenbank shealth.db abgelegt sind“. Im Gegensatz zu Chefinspektor Fellner hatte die WKStA „Health Data“, also Gesundheitsdaten, gefunden.

Im IT-Bericht der WKStA steht noch mehr: „Angemerkt wird, dass offenbar viele Daten in Datenbanken vorhanden sind, welche dazu dienen können, die letzten Stunden des Mag. Pilnacek genauer zu erörtern. Insbesondere die Datenbank SurveyLog.db enthält u.a. offensichtlich Herz-, Handgelenksbewegungs- und Sonstige-Events, welche möglicherweise genauere Schlüsse zulassen können.“

Die WKStA durfte diese Daten noch nicht untersuchen: „Diese Daten wurden, mit Ausnahme der Bluetooth-Events, nicht analysiert, da dies außerhalb der ursprünglichen Fragestellung liegt.“ Aber warum haben Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt Niederösterreich diese Untersuchung unterlassen? Warum wurde fälschlich behauptet, dass nichts da war?

Stopp um 4.03 Uhr

Im IT-Bericht steht noch wesentlich mehr. Die Experten hatten sechs Datenbanken gefunden:

  • . resourced-heart-default.db
  • . battery-monitor.db
  • . Survey Log.db
  • . context-app-history.db
  • . shealth.db
  •  und context-sensor-recorder.db 

Der IT-Bericht der WKStA liefert zum ersten Mal eine Beschreibung von Pilnaceks letzten Stunden.

Der Batteriestand der Smartwatch in Pilnaceks letzter Nacht sank ab 23.00 Uhr bis etwa 1.00 Uhr kaum. Die Uhr war mit dem Handy im Haus in Rossatz verbunden und suchte nicht nach anderen Geräten. Um 01:09:07 Uhr änderte sich das.

Pilnacek hatte das Haus in Rossatz ohne Handy verlassen. Die Smartwatch suchte nach dem Handy und baute so Batterie ab. Der WKStA-Bericht beschreibt das: „Die Smartwatch hat vermutlich um 2023-10-20 01:07:02 versucht, sich mit einem Mobilgerät zu verbinden.“ Die Versuche waren erfolglos: „ab 2023-10-20 01:07:34 mehrfach die Zeichenkette NO SERVICE protokolliert“.

Der „Anhang Batteriedaten“ hält jeden Batterierückgang um eine Einheit in einer Zeile fest. Pilnaceks Batterieverbrauch war in der Zeit zwischen 01:23:14 Uhr und 04:03:33 Uhr ungewöhnlich hoch. WLAN und Bluetooth saugen die Batterie solcher Geräte üblicherweise nicht so aus, weil Kunden die Uhr dann nicht kaufen würden. Die Vermutung liegt also nahe, dass Aktivitätssensoren die Batterie stark belastet haben.

Die WKStA protokolliert: 01:23:14 – 01:25:18 – 01:27:08 – 01:28:37… Das geht von Zeile 2219 bis 2267. Dann passierte etwas. Um 04.03:33 Uhr stoppte der Batterieverbrauch plötzlich. Der nächste Eintrag stammt von 10:10:09 Uhr. Dazwischen ist nichts.

grafik
Quelle: StA Krems, 5 UT 138/23y, ON 58.4, 20

Offensichtlich gab es ab 04.03 Uhr keine Daten mehr, die die Smartwatch an das Handy übertragen wollte. Keine Daten – das waren auf der Samsung Galaxy 3 Watch vor allem Bewegungsdaten und Gesundheitsdaten. Eine mögliche Erklärung lautet: Ab 04:03:33 Uhr gab es plötzlich keine Gesundheitsdaten, die die Smartwatch aufgezeichnet und zu übermitteln versucht hätte, mehr.

Hat die WKStA damit den entscheidenden Hinweis auf den Todeszeitpunkt gefunden?

„Offenbar Bluetooth-Kommunikation“

Der Bericht erklärt noch mehr. „Erwähnenswert ist, dass (…) von 2023-10-20 01:15:38 bis 2023-10-20 03:55:15 (…) offenbar Bluetooth-LE Kommunikation stattgefunden hat.“ Die Formulierung WKStA-Bericht verrät Vorsicht: „Möglicherweise befanden sich in den entsprechenden Zeitintervallen demnach Bluetooth fähige Geräte in der Nähe der Smartwatch.“ 

Das könnte auch einen Teil der hohen Batteriebelastung erklären: Im Allgemeinen ist der Akkuverbrauch von Smartwatches höher, wenn Ressourcen wie beispielsweise CPU, drahtlose Netzwerkverbindungen (wie WLAN oder Bluetooth), oder (Aktivitäts-)Sensoren stärker in Anspruch genommen werden.“

Die Experten halten fest, dass der Bluetooth SOC, welcher in der Smartwatch verbaut ist, Bluetooth Klasse-1 und Klasse-2 fähig ist und im Freien somit eine Reichweite von bis zu 100 Meter erreichen kann. Wenn sich Pilnacek in dieser Zeit allein am Ufer das Donau-Altarms aufgehalten hat – wie konnte seine Smartwatch da Kontakt zu mehreren Bluetooth-Geräten aufnehmen?

Ab 1.09 Uhr hatte Pilnaceks Smartwatch den Kontakt zum Handy verloren. Bis 1.15 Uhr scheint sich auch kein weiteres Bluetooth-fähiges Gerät in seiner Nähe befunden zu haben. Um 1.15 Uhr änderte sich das. In seiner letzten Nacht war Pilnacek möglicherweise nur sechs Minuten allein.

Demnächst auf ZackZack

Gibt es noch weitere Hinweise auf fremde Bluetooth-Geräte wie Handy und Freisprecheinrichtungen? Was war sonst noch auf der Samsung-Watch? Und haben die Experten noch Hinweise, die zur Aufklärung der Todesursache beitragen könnten, gefunden? Dazu mehr demnächst auf ZackZack.

Auszug: WKStA /refurbed.at/ Helmut Fohringer / APA / picturedesk.com

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