Was hat das Treffen in Alaska gebracht? Im Moment nur die Klarheit, dass Putin (weiter) macht, was er will und Trump vor ihm auf die Knie gefallen ist.
Viele amerikanische Medien sind begeistert vom Abschneiden Donald Trumps beim Duell von Anchorage, Alaska. Der Tenor: Trump ist hervorragender Zweiter geworden, Putin nur Vorletzter. Fox News macht klar, was Trump erreicht hat: Bevor er das zweite Mal zum Präsidenten gewählt wurde, wäre der Krieg Russlands gegen die Ukraine drauf und dran gewesen, zum dritten Weltkrieg auszuarten. Jetzt, durch ihn und mit ihm und in ihm, ist Friede in Sicht, heißt es dort.
Das Treffen war von Anfang an ein Duell, wie Dominic Johnson in der TAZ schreibt:
Die wichtigsten Signale waren die ohne Worte: die US-Kampfjets, die die russische Präsidentenmaschine in der Luft schützen; der rote Teppich, den US-amerikanische Soldaten für Putin ausrollen; das machohafte Gehabe, als beide Präsidenten in ihren jeweiligen Flugzeugen auf der Landebahn darauf warteten, dass der jeweils andere zuerst aussteigt und damit den ersten Schritt macht. Am Ende war Trump der Erste, aber auf dem roten Teppich ließ er Putin auf sich zukommen.
Auch die Körperhaltung auf den Fotos von der Pressekonferenz verrät einen Ernst, wie ihn Trump beim Treffen mit Selenskyj nicht an den Tag gelegt hat: Beide sitzen fluchtbereit auf dem vordersten Teil der Sitzfläche ihres Sessels, die Beine gegrätscht, die Hände – dazwischen hängend – sind gefaltet. Beide blicken sehr ernst drein. Beide tragen rote Krawatten. Und beide haben davor genug getrunken. Der Abdeckkarton liegt noch auf ihren Trinkgläsern.
Putin hat Zeit
Putin sagt in Interviews oft, dass man keine Eile an den Tag legen soll: Wir haben Zeit! Einer seiner Lieblingssätze. Und auch bei der Pressekonferenz ist es so. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass sie länger als zehn Minuten dauerte. Dominic Johnson in der TAZ weiter:
Lediglich 12 Minuten dauerte die Pressekonferenz, auf der entgegen allen Gepflogenheiten Gast Putin als Erster sprach und achteinhalb Minuten lang ein vorbereitetes Statement ablas, wonach Gastgeber Trump sich mit dreieinhalb Minuten Schwadronieren zufriedengab und dann keine Fragen zugelassen waren. Dass Putin zunächst auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen kam und ihm mehr Worte widmete als den aktuellen Konflikten, unterstrich dabei, wie sehr der Moskauer Machthaber in der glorreichen Vergangenheit lebt.
Etwa bei der Hälfte war man also noch nicht beim Thema angelangt: Den dritten Weltkrieg verhindern. Putin sagte nichts über die Epstein-Files. Trump fragte nicht, wo die Ukraine eigentlich sei, ob die Ukrainer damals nicht auch im Kampf gegen die Nationalsozialisten mitgemacht und viele von ihnen ihr Leben verloren hätten. Und ob die Mehrheit aller Russen nicht Verwandtschaft in der Ukraine hätte und ein Teil von Putins Familie auch von dort stamme.
Was ist also das Ergebnis: CNN und die New York Times sprechen von keinem Ergebnis, während die Washington Post sogar behauptet, das Gespräch sei abgebrochen worden. Der Guardian berichtet:
Putin teilte Trump mit, dass er im Austausch für Donezk und Luhansk weitere Vorstöße stoppen und die Frontlinie in der südukrainischen Region Cherson und Saporischschja, wo russische Truppen bedeutende Gebiete besetzt halten, einfrieren werde.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Abtretung von Gebieten konsequent abgelehnt, und am Samstag bekräftigten die europäischen Verbündeten, dass die Grenzen der Ukraine nicht mit Gewalt verändert werden dürfen. Am Samstagmorgen gab Trump auch öffentlich seine Pläne für einen sofortigen Waffenstillstand auf, für den er sich selbst monatelang eingesetzt hatte, und schloss sich stattdessen Putins bevorzugtem Weg zur Beendigung des Krieges an: die Durchsetzung eines weitreichenden Abkommens vor der Einstellung der Kämpfe.
Die Einigung ist nun das Befürchtete
Diese Einigung ist nun das Befürchtete: Russland stellt territoriale Forderungen. Die USA und die NATO werden ihnen nachgeben. Die Ukraine hat nichts mitzureden und Selenskyj wird bei seinem neuerlichen Treffen mit Trump neuerlich verarscht werden. Dann ist ein Teil der Ukraine russisch ein anderer ukrainisch. Aber für wie lange? Wenn Putin milde ist, wartet er ab, bis Trump nicht mehr Präsident ist, und überfällt die Ukraine dann ein zweites Mal, um sie als Ganzes zu annektieren.
Woran erinnert uns das? Hertha Pauli berichtet in ihren Erinnerungen über den Aufenthalt in Paris auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in den Jahren 1938 und 1939. Mehrmals hat sie dort Joseph Roth in einem Café getroffen. In Einschätzung der Pläne Hitlers soll Roth damals zu ihr gesagt haben, dass man Hitler nun das Sudetenland geben werde, wie er es fordert, um einen Krieg zu verhindern. Dann würde Hitler abwarten und als nächstes Polen überfallen. Joseph Roth starb im Mai 1939 und erlebte nicht mehr, wie seine scharfsinnige Vorhersage Realität wurde.
Was hat dieses Treffen also gebracht? Im Moment nur die Klarheit, dass Putin (weiter) macht, was er will und Trump vor ihm auf die Knie gefallen ist. Nun ja, das Leben ist kein Ponyhof. Auch nicht für Donald Trump. Nur Karin Kneissl, die tatsächlich vor Putin auf die Knie gefallen ist und nicht nur bildlich, hat einen Ponyhof in Russland.
Einzige Hoffnung
Wie sieht es mit der Demokratisierung der USA und Russlands aus? Für die USA können wir auf die nächsten Wahlen hoffen. In Russland muss es wohl einen Umschwung in der breiten Meinung geben. Das ist die einzige Hoffnung für dauerhaften Frieden und ein Ende der permanenten Eskalation. Der Russland-Experte Michael Thumann sagt Daniel Retschitzegger in einem Interview in der Tageszeitung Der Standard:
Es gibt zwei Bevölkerungsgruppen, die dieses Potenzial ausmachen. Auf der einen Seite jene, die ohnehin gegen den Krieg sind. Auf der anderen Seite die große Gruppe der Opportunisten. Das sind jene, die eigentlich relativ gut mit der Situation leben können und die ihr Fähnchen in den Wind hängen. Sollte sich der Wind irgendwann drehen, werden sie rasch auf einer anderen Seite sein. Das ist Putin auch bewusst. Für tiefgreifende Veränderungen braucht es aber wohl eine Niederlage Russlands in der Ukraine. Das wäre etwa, wenn Russland seine Kriegsziele nicht erreichen kann. Dann werden sich viele im Land fragen, wofür sie das alles durchgemacht haben. Wofür so viele Menschen gestorben sind. Wenn sie durch dieses tiefe Tal gehen müssen, dann entfaltet sich für Russland das große Potenzial der Veränderung und die Möglichkeit, es künftig anders zu machen.
Oder die jetzige Situation dauert an und Putin bekommt einen Nachfolger, der ebenfalls autoritär regiert. Dann wird er wirklich nur der Vorletzte gewesen sein.
